Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich jüngst in einem Urteil zur zwingenden Anwendbarkeit der GOÄ für juristische Personen im Rahmen der ambulanten Leistungserbringung positioniert (BGH, Urt. v. 04.04.2024 – III ZR 38/23). In den Entscheidungsgründen hat sich der BGH deutlich dafür ausgesprochen, die Anwendbarkeit der GOÄ unabhängig davon zu bejahen, ob der Arzt seine Forderungen für ambulant erbrachte Leistungen selbständig gegenüber Patienten und Kostenträgern geltend macht oder ob die Abrechnung über eine juristische Person als Arbeitgeber erfolgt.
Anlass zur Auseinandersetzung mit dieser Thematik hatte die Klage eines gesetzlich krankenversicherten Patienten gegeben. Dieser war im Jahr 2020 im Hause der Beklagten wegen eines Prostatakarzinoms behandelt worden. Teil der Behandlung war die Bestrahlung mittels sogenannten „Cyberknife-Verfahren“, bei dem ein kompakter Linearbeschleuniger, montiert auf einem Industrieroboter, zum Einsatz kommt. Das Verfahren ist noch nicht im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) abgebildet und gehörte somit auch nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen. Einige der Kostenträger hatten bereits mit der Beklagten eine Vergütungsvereinbarung getroffen, nicht jedoch die Krankenversicherung, bei der der Kläger gesetzlich versichert war. Einen Antrag des Klägers auf Kostenbeteiligung vom 19.03.2020 sowie einen Antrag der Beklagten auf Kostenübernahme im Einzelfall vom 27.03.2020 hatte die Krankenkasse des Klägers abgelehnt. Dem Kläger wäre es möglich gewesen vor Behandlungsbeginn die Krankenkasse zu wechseln, dies war ihm jedoch nicht bekannt. Der Kläger entschied sich schließlich am 16.04.2020 durch Unterzeichnung einer schriftlichen Vereinbarung, die Kosten der Behandlung in Höhe von 10.633,00 € selbst zu tragen. Die ambulante Behandlung mittels „Cyberknife-Verfahren“ erfolgte sodann im Juni 2020.
Mit Schreiben vom 05.07.2020 forderte der Kläger von der Beklagten die Erstellung und Übersendung einer Rechnung nach den Vorgaben der GOÄ. Die Beklagte stellte dem Kläger unter dem 10.07.2020 jedoch nur eine Rechnung über einen Pauschalbetrag in Höhe von 10.633,00 € mit der Bezeichnung „Cyberknife Komplexleistung III“ in Rechnung. Der Kläger beglich den Rechnungsbetrag vollständig und erhob sodann Klage vor dem Sozialgericht, gerichtet auf Erstattung des Rechnungsbetrages, welche er jedoch nach erfolgtem Hinweis des Gerichts auf fehlende Erfolgsaussicht wieder zurückzog.
Im Anschluss wandte der Kläger sich jedoch an das Landgericht (LG) Köln, welches die Beklagte zur Rückzahlung des Pauschalhonorars unter Verweis auf Verletzung einer aus § 630c BGB resultierenden Aufklärungspflicht verurteilte. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten blieb vor dem Oberlandesgericht (OLG) Köln ohne Erfolg, weshalb sie sich schließlich mit ihrer Revision zum BGH wandte.
Der BGH sah entgegen der Vorinstanzen eine Aufklärungspflicht aus § 630c BGB nicht als verletzt an, da der Kläger spätestens mit Eingang der beiden Ablehnungsbescheide seiner Krankenkasse gewusst haben musste, welche finanzielle Belastung auf ihn zukommen würde. Allerdings sah der BGH das Rückforderungsbegehren des Klägers jedoch dadurch als begründet an, dass die durch die Beklagte erstellte Rechnung nicht den Vorschriften der GOÄ entspreche, die jedoch auch durch juristische Personen – wie die Beklagte vorliegend – zwingend einzuhalten seien. Die zwingende Anwendbarkeit der GOÄ ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 GOÄ nach dem sich ihre Anwendbarkeit auf alle „beruflichen Leistungen der Ärzte“ erstrecke. Der BGH wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass hier gerade nicht zwischen Leistungen differenziert werde, die aufgrund eines Behandlungsvertrages zwischen Arzt und Patient durch die Ärzte selbst geltend gemacht würden und solchen, die von Ärzten im Rahmen eines Angestellten- oder Beamtenverhältnisses von Dritten geltend gemacht würden. In dieser Lesart sieht der BGH sich auch durch den Sinn und Zweck der GOÄ als zwingendes öffentlich-rechtliches Preisrecht bestätigt. Durch die GOÄ habe der Verordnungsgeber einen angemessenen Interessenausgleich zwischen den Ärzten einerseits und den Patienten bzw. Kostenträgern andererseits schaffen wollen. Durch Festlegung von Mindest- und Höchstsätzen für ärztliche Leistungen solle den Ärzten eine zuverlässige Grundlage für die Erbringung sorgfältiger hochwertiger ärztlicher Leistungen zugesichert werden und den Patienten und Kostenträgern eine unzumutbare finanzielle Belastung erspart werden. Ein Ausschluss juristischer Personen aus diesem Abwägungskonstrukt würde im Ergebnis zu ungerechtfertigter Besserstellung dieser führen. Ein Grund für eine Andersbehandlung sei hier nicht ersichtlich, wie der BGH betonte.
Diese Ausführungen erstrecken sich jedoch nicht auf die stationären Leistungen, wie der BGH in den Entscheidungsgründen veranschaulichte. Gemäß § 1 Abs. 1 GOÄ ist der Anwendungsbereich nur eröffnet, soweit nicht eine bundesgesetzliche Regelung etwas anderes bestimmt. Für stationäre Leistungen habe der Bundesgesetzgeber jedoch durch das Krankenhausentgeltgesetz, das Krankenhausfinanzierungsgesetz und die Bundespflegesatzverordnung ein anderes Preisrecht geschaffen.
Fazit & Ausblick
Sowohl MVZ-GmbH als auch Privatkliniken, die bisher ambulante Leistungen mittels Pauschalhonorar abgerechnet haben, müssen sich auf Rückforderungsansprüche seitens der Kostenträger und Patienten gefasst machen. Um zukünftig weiteren Ärger zu vermeiden, empfiehlt es sich mit dem Patienten vor Behandlungsbeginn eine Honorarvereinbarung nach § 2 GOÄ zu schließen, im Rahmen derer – bezogen auf den jeweiligen Einzelfall und in persönlicher Absprache mit dem Patienten – abweichende Steigerungssätze vor Behandlungsbeginn vereinbart werden können. Eine solche Vereinbarung bedarf jedoch gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 GOÄ der Schriftform. Zudem ist dem Patienten eine Kopie der Vereinbarung auszuhändigen