Die Höhe des Beitrages (regelmäßig 2,8 % der über die Körperschaft abgerechneten Beträge), den die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein zur Deckung ihrer Verwaltungskosten erhebt, wird von deren Mitgliedern seit Jahr und Tag kritisch gesehen. Jüngst hat die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein eine weitere Einnahmequelle kreiert, die beträchtliche zusätzliche Einnahmen in Millionenhöhe für die Körperschaft bedeuten.
So hat die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein am 24.11.2023 beschlossen, § 13 Abs. 3 der Satzung der Körperschaft zu ändern, und zwar insoweit, als zur Deckung aller Kosten für die Organisation und Durchführung des ärztlichen Notdienstes gemäß der jeweils geltenden Notdienstordnung (……) quartalsweise ein zusätzlicher Beitrag erhoben wird.
Dieser zusätzliche Beitrag besteht aus einer festen Pauschale, die pro Versorgungsauftrag je zugelassener Praxis/Berufsausübungsgemeinschaft bzw. MVZ entsprechend der Anzahl der Versorgungsaufträge erhoben wird. Der jeweilige Versorgungsauftrag ergibt sich gemäß § 95 Abs.3 Satz 1 SGB V aus der Zulassung des Vertragsarztes bzw. des Psychotherapeuten, §§ 72 Abs.1 Satz 2 i.V.m. § 95 Abs.3 Satz 1 SGB V. Wer also mit einer vollen Zulassung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt, erfüllt einen vollen Versorgungsauftrag.
Der zusätzliche Beitrag beläuft sich laut einer Pressemitteilung auf 190 Euro pro Quartal für einen vollen Versorgungsauftrag -auf die Pressemitteilung ist man leider angewiesen, da sich der entsprechende Beschluss zu § 13 Abs.3a Satz 3 der Satzung auf der Website nicht finden lässt- und wird mit dem Honorarbescheid für das 1. Quartal 2024 erhoben, der erfahrungsgemäß Ende Juni/Anfang Juli 2024 vorliegen wird.
Die Konsequenzen dieser Entscheidung der Vertreterversammlung vom November 2023 treffen nicht nur die zugelassenen Vertragsärztinnen und -ärzte, sondern auch diejenigen, die mit einer Zulassung als Psychotherapeutinnen oder Psychotherapeuten an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen: Dadurch werden die psychotherapeutisch Tätigen beginnend ab dem 1. Quartal 2024 faktisch an der (Mit–)Finanzierung des ärztlichen Notdienstes beteiligt !
Vor dem Hintergrund, dass zum ärztlichen Notdienst nach den einschlägigen Normen lediglich Ärztinnen und Ärzte, nicht aber Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten verpflichtet sind, fragen sich insbesondere jene der 24.000 Mitglieder der Körperschaft, die aufgrund ihres Zulassungsstatus einen psychotherapeutischen Versorgungsauftrag erfüllen, ob die skizzierte Satzungsänderung mit geltendem Recht in Einklang steht.
Denn der zusätzliche Beitrag wird, wie eingangs erwähnt, zur Deckung aller Kosten für die Organisation und Durchführung des ärztlichen Notdienstes erhoben und ist damit zweckgebunden. Ergo sind Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Erhebung des zusätzlichen Beitrages nachvollziehbar und berechtigt. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein aufgrund dessen demnächst mit einer beträchtlichen Zahl von Widerspruchsverfahren nicht nur, aber insbesondere der psychotherapeutisch Tätigen konfrontiert sieht.
RA Stefan W. Kallenberg
Herr Kallenberg hat vor seinem Eintritt in die Kanzlei in verschiedenen Funktionen im Arbeits- und Sozialrecht gearbeitet, so zunächst in der Rechtsabteilung einer international tätigen Unternehmensberatung mit dem Schwerpunkt der Rechtsberatung zu Fragen der betrieblichen Altersversorgung.
Mitte der 1990’iger Jahre wechselte er als stellvertretender Justitiar zur Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, um dann ab der Jahrtausendwende deren Bezirksstelle in Köln als Verwaltungsdirektor und Geschäftsführer zu leiten.
In den 27 Jahren seiner Tätigkeit für die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein ist Herr Kallenberg zu einem Kenner jener Rechtsfragen geworden, die sich mit den Aufgaben einer Kassenärztlichen Vereinigung verbinden: Sicherstellung, Gewährleistung und Interessensvertretung vertragsärztlicher Tätigkeit im System der gesetzlichen Krankenversicherung. Hier liegt auch der Schwerpunkt seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt in der Kanzlei Dr. Halbe Rechtsanwälte.