Diese Linie hat nun auch der Bundesgerichtshof (BGH) vertreten. Vorangegangen war ein Rechtstreit um die Frage, ob mit vergleichenden Fotos von für ästhetische Zwecke durchgeführte Hautunterspritzungen mit Hyaluronsäure geworben werden darf. Die beklagte Gesellschaft warb mit mehreren solchen Bildern auf ihrer Webseite. Hiergegen ging ein eingetragener Wettbewerbsverband vor. Das Landgericht Köln (LG) gab dem Wettbewerbsverband in der ersten Instanz recht (Urteil des LG Köln vom 19.04.2023, Az. 84 O 143/22). Auch die Berufung der Ärzte vor dem Oberlandesgericht Köln (OLG) blieb erfolglos (Urteil des OLG Köln vom 27.10.2023, Az. 6 U 77/23).
Relevant für die Fragestellung ist § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 des Heilmittelwerbegesetzes (HWG). Dieser normiert, dass für operativ plastisch-chirurgische Eingriffe zur Veränderung des menschlichen Körpers ohne medizinische Notwendigkeit nicht mit Bildern geworben werden darf, durch die eine vergleichende Darstellung des Körperzustandes oder Aussehens vor und nach dem Eingriff gezeigt wird. Für die Beurteilung der Norm und des Falls ist es entscheidend den Begriff des „operativ plastisch-chirurgischen Eingriffs“ genauer zu definieren. Dieser wird im Kontext des HWG nicht, wie man meinen könnte, einschränkend ausgelegt, sondern soll großzügig verstanden werden. Diese Auffassung teilte auch das OLG in dem genannten Urteil und führte aus, ein operativer Eingriff sei bereits anzunehmen, wenn ein instrumentaler Eingriff am oder im Körper des Menschen erfolge, durch den Form- oder Gestaltveränderungen an den Organen oder der Körperoberfläche vorgenommen werden. Schutzzweck der Norm, führt das OLG weiter an, sei die Bevölkerung vor erheblichen Gesundheitsschäden und Risiken zu schützen, indem eine Werbung mit medizinisch nicht notwendigen schönheitschirurgischen Eingriffen verboten wird. Es käme dabei nicht darauf an, ob sich im konkreten Einzelfall ein Risiko tatsächlich realisiere. Es sollen keine Anreize für medizinisch nicht indizierte Eingriffe geschaffen werden. Dieser Zweck sei nur zu erreichen, wenn der Begriff des „operativ plastisch-chirurgischen Eingriffs“ weit verstanden würde. Dementsprechend sei es für einen solchen Eingriff nicht notwendig, dass der Körper mit einem Skalpell oder ähnlichem eröffnet wird. Bereits die Unterspritzung der Körperhaut sei nach diesem Verständnis ein „operativ plastisch-chirurgischer Eingriff“.
Nach diesem weiten Verständnis des Begriffs des „operativ plastisch-chirurgischen Eingriffs“ steht es außer Frage, dass die Ärzte nicht mit vergleichenden Bildern werben durften. Das OLG hatte eine Revision zum BGH nicht zugelassen. Hiergegen haben die Ärzte eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, welche nun vom BGH zurückgewiesen wurde (BGH-Beschluss vom 29.05.2024). Damit bestätigt der BGH die Rechtsauffassung des OLG.
Ob diese nun sehr gefestigte Rechtsprechung zwingend ist, darf gerne diskutiert werden. Immerhin darf für Tätowierungen/ Piercings / Ohrringe/ Permanent Make-up oder Ähnliches geworben werden. Von solchen körperschmückenden Maßnahmen scheint auf den ersten Blick kein höheres Risiko für die Bevölkerung auszugehen als von Unterspritzungen mit Hyaluronsäure. Eventuell können noch anzufertigende Studien über die Vergleichbarkeit der Risiken eine andere Beurteilung in der Zukunft bedeuten.