Beim Begriff des Whistleblowings assoziiert man vermutlich zunächst die aus den Medien bekannten Fälle von Edward Snowden oder Julian Assange. Wie relevant Whistleblowing auch für das Gesundheitswesen sein kann, hat im Jahr 2010 der Fall einer Altenpflegerin gezeigt, der Grundlage für ein wegweisendes Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte war. Dieses Urteil fügte sich in die Entwicklung des Schutzes von Hinweisgebern. Die Entwicklung hat zur Verabschiedung einer „Whistleblower-Richtlinie“ auf europäischer Ebene geführt, die durch den deutschen Gesetzgeber bis Ende 2021 umgesetzt werden muss. Ein Referentenentwurf für ein Hinweisgeberschutzgesetz zeigt die Richtung auf, welche der Hinweisgeberschutz einschlagen wird.
Wesentliche Inhalte des Gesetzentwurfs
Durch das Gesetz sollen Beschäftigte geschützt werden, die entweder durch eine interne oder externe Meldung ein straf- oder bußgeldbewehrtes Verhalten ihres Arbeitgebers offenbaren. Darüber hinaus sind auch Meldungen möglich über sonstige Verstöße gegen Gesetze, Rechtsverordnungen und auch EU-Recht. Der Beschäftigtenkreis soll bewusst groß gewählt werden und nimmt daher auch Auszubildende, Beamte, Tarifbeschäftigte und sogar Personen auf, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnlich anzusehen sind. Für den Gesundheitsbereich ergeben sich aufgrund der Vielzahl an in Betracht kommenden Regelungen, die eine Meldung begründen können, und aufgrund des großen Personenkreises ein weiter Anwendungsbereich für Whistleblowing.
Sofern der Beschäftigte den hinreichenden Verdacht auf einen Verstoß geschöpft hat, kann er sich an eine interne Stelle innerhalb des Unternehmens wenden. Außerdem sind externe Meldungen an die zuständigen Behörden oder andere spezielle Meldestellen möglich. Hierfür bedarf es eines sicheren Meldesystems, welches vor allem die meldende Person, aber auch die Person, auf die sich der Verdacht bezieht, schützt. Dies betrifft auch die datenschutzkonforme Dokumentation über den Vorgang. Die Meldestelle muss die geeigneten Schritte zur Aufklärung des Verdachts einleiten und dem Meldenden binnen drei Monaten über geplante Folgemaßnahmen berichten. Danach kann sich der Meldende in begründeten Ausnahmefällen sogar an die Öffentlichkeit wenden, ohne negative Rechtsfolgen befürchten zu müssen.
Dem Meldenden und auch dem von der Meldung Betroffenen dürfen aufgrund seiner Meldung keine Repressalien drohen. Dies muss weit verstanden werden und betrifft vor allem arbeits- und strafrechtliche Folgen. Zur Wahrung des Diskriminierungsschutzes der Hinweisgeber wird bei Maßnahmen des Arbeitgebers eine Beweislastumkehr dahingehend eingerichtet, dass die Maßnahmen auf die Meldung zurückgeführt werden, es sei denn es gelingt der Beweis des Gegenteils.
Ab dem 17.12.2021 müssen Unternehmen ab 50 Beschäftigten ein Hinweisgebersystem etabliert haben. Für Unternehmen zwischen 50 und 250 Beschäftigten bleibt bis zum 17.12.2023 Zeit für die Umsetzung. Außerdem kommt für diese Unternehmensgröße die Etablierung von Hinweisgebersystemen mit anderen Unternehmen in Betracht.
Warum lohnt sich eine konsequente Umsetzung des Vorhabens?
Auch wenn das Rechtsinstitut des Hinweisgeberschutzes dem deutschen Recht bislang fremd ist, sind die Vorteile solcher Systeme offensichtlich und gehören in vielen großen deutschen Unternehmen seit Jahren zum Standard.
Aufgrund der ausdrücklichen Regelung des Hinweisgeberschutzes steht die Etablierung von Whistleblowing-Konzepten nicht mehr im Ermessen der Geschäftsleitung, sondern ist verpflichtend. Nur hinsichtlich der Ausgestaltung steht Leitungspersonen noch ein Ermessen zu. Dies gilt für Vorstände einer AG und für die Geschäftsführer einer GmbH.
Das vor seiner Einführung stehende „Unternehmensstrafrecht“ sieht interne Ermittlungen bei Regelverstößen von Unternehmen als wichtiges Mittel an. Sofern ein gutes Hinweisgeberschutzsystem etabliert ist, können frühzeitig interne Ermittlungen starten, die dann mögliche Sanktionen mildern können. Es können sogar öffentliche Verfahren ganz vermieden werden, wenn der Verstoß durch interne Hinweise abgestellt werden kann. Dies spart Geld und schont die Reputation des Unternehmens. Deshalb müssen die Beschäftigten für interne Meldungen sensibilisiert und ihnen ein effektiver Schutz garantiert werden, damit die interne Meldung als Mittel der Wahl vor der externen Meldung genutzt wird.
Außerdem drohen sowohl bußgeldrechtliche Sanktionen (bis zu EUR 100.000,00) als auch verschuldensunabhängige Schadensersatzansprüche, wenn die Vorgaben des Hinweisgeberschutzgesetzes nicht umgesetzt werden.
Letztlich ist auf die Synergieeffekte mit dem verpflichtenden Critical Incident Reporting Systems (CIRS) in Krankenhäusern hinzuweisen. Die darin vorgesehenen Meldevorfälle decken sich zum Teil mit dem Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes. Es bietet sich daher die Überarbeitung des internen Meldesystems an. Wie bereits aus dem CIRS bekannt, sollten durch Unternehmen auch anonyme Hinweise, die nicht vom Hinweisgeberschutzgesetz umfasst sind, unter den gleichen Schutz gestellt werden, da auch diese zur Einleitung schützender interner Ermittlungen dienen können.
Der Hinweisgeberschutz sollte daher nicht als lästiges Denunziations-Instrument gesehen werden, sondern als Möglichkeit, die Unternehmens-Compliance in Krankenhäusern zu stärken und somit wirtschaftliche und strafrechtliche Risiken zu vermeiden. Allerdings muss das Gesetzgebungsverfahren genau im Blick behalten werden, da aus der juristischen Literatur erhebliche Kritik an der zu geringen Umsetzung der europäischen Richtlinie geäußert worden ist.
RA Klaus Martin Meyer
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