Das Landessozialgericht NRW hat in einem Urteil vom 10.07.2019 (Az. L 10 KR 538/15) über die Abrechnung der intensivmedizinischen Komplexbehandlung (OPS 8-980) und die hierzu geforderten Strukturmerkmale entschieden. Der Medizinische Dienst hatte nach einer Strukturprüfung im Herbst 2010 die Auffassung vertreten, dass die Anforderungen an die ständige ärztliche Anwesenheit auf der Intensivstation von dem Krankenhaus nicht erfüllt würden. Daraufhin verlangte die Krankenkasse für 18 Fälle aus dem Zeitraum 02/2010 bis 05/2011 die aus ihrer Sicht zu viel gezahlte Vergütung in Höhe von rund 180.000 € zurück und erhob Ende 2014 eine entsprechende Sammelklage.
Das Sozialgericht Aachen hatte die Klage abgewiesen. Zur Begründung führte es aus, dass die personelle Besetzung der Intensivstation den Vorgaben des OPS entspreche. Es reiche aus, wenn im Nachtdienst ein Anästhesist im Präsenzdienst für die Intensivstation eingeteilt sei, der auch Notfälle im sonstigen Haus betreue, wenn dieser gegebenenfalls bis zum Eintreffen des Hintergrunddienstes durch einen Internisten vertreten werde, der gleichzeitig noch die Normalstation betreue. Die von der Krankenkasse und dem MDK geforderte Auslegung des OPS, wonach eine alle vorhersehbaren Umstände sicherstellende, speziell auf die Intensivstation bezogene Dienstplanung des Krankenhauses zu fordern sei, gehe über Sinn und Zweck der Vorgaben hinaus. Der Umstand, dass die Einwände der Krankenkasse auf einer Strukturprüfung des MDK beruhten, war für das Gericht nicht entscheidend, es komme insoweit nicht darauf an, dass jeweils keine fristgerechte Einzelfallprüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V erfolgt sei. Die Prüfung der Einhaltung der Strukturmerkmale falle unter das vom Bundessozialgericht propagierte sachlich-rechnerische Prüfregime.
Auf die Berufung hat das Landessozialgericht nun nach fast vierjähriger Verfahrensdauer dieses Urteil kassiert und der Klage der Krankenkasse vollumfänglich stattgegeben. Das Gericht verwies darauf, dass eine ständige ärztliche Anwesenheit nur gewährleistet sei, wenn die Dienstplanung des Krankenhauses insoweit speziell auf die Intensivstation bezogen sei. Allen Mitgliedern des Teams müsste der jeweils aktuelle Gesundheitszustand aller Patienten der Station bekannt sein. Dies gelte insbesondere auch für den diensttuenden Arzt. Der Arzt müsse tatsächlich in das Team der Intensivstation eingebunden sein. Diese Bedingungen erfülle die beklagte Klinik nicht. Das Landessozialgericht führte mit dieser Entscheidung die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts fort (Urt. v. 18.07.2013, Az. B 3 KR 25/12 R).
Schließlich verneinte das Landessozialgericht noch die Anwendbarkeit der Verjährungsfristverkürzung durch das Pflegepersonalstärkungsgesetz gemäß § 109 Abs. 5 SGB V auf den vorliegenden Fall. Die Zahlungsklage sei bereits bei Inkrafttreten der Neuregelung anhängig gewesen, so dass die Verjährung gehemmt worden sei. Auch sei die Verjährung nicht rückwirkend eingetreten. Der Gesetzgeber habe zwar die Rückwirkung nicht explizit auf bestimmte Jahre beschränkt. Es ergebe sich aber aus der Gesetzesbegründung, dass es ihm insbesondere um Ansprüche gegangen sei, die ab dem Jahr 2016 entstanden seien. Außerdem sei über die Verweisung auf die allgemeinen Regeln des BGB die Hemmungswirkung nach alter Rechtslage zu berücksichtigen. Sei die Hemmung einmal rechtswirksam eingetreten, könne dies auch nicht durch die rückwirkende Anpassung der Verjährungsfristen entfallen.
Die Revision wurde durch das LSG nicht zugelassen.
RA Maurice Berbuir
Fachanwalt für Medizinrecht