Die Problematik der sogenannten Scheinselbstständigkeit ist ein „Dauerbrenner“ auch im „medizinischen“ Arbeitsrecht. Immer wieder bedienen sich insbesondere Privatkliniken und Krankenhäuser sogenannter Honorararztverträge, um sich nicht mit aus einem Arbeitsverhältnis einhergehenden Rechten und Pflichten zu „belasten“.
Auf Arbeitgeber- respektive Auftraggeberseite sind Honorararztverträge im Hinblick auf eine erleichterte Kündigungsmöglichkeit und die Vermeidung von Sozialversicherungsabgaben interessant.
Streng rechtlich betrachtet verwundert der häufige Rückgriff auf Honorararztverträge, da dessen eindeutige arbeits- und sozialrechtliche Einordnung und Umsetzung schwierig sind. Es drohen die Gefahren aus einer sich outenden Scheinselbstständigkeit.
Die Scheinselbstständigkeit meint den Abschluss und die Durchführung eines Vertragsverhältnisses, in welchem ein Erwerbstätiger als Selbständiger bezeichnet und behandelt wird, es sich tatsächlich aber um einen „lohnsteuer“- und sozialversicherungspflichtigen angestellten Mitarbeiter handelt. Eine solche falsche Statusbestimmung zieht erhebliche arbeits- und sozialrechtliche sowie steuer- und auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich.
Die rechtliche Einordnung eines Vertragsverhältnisses, beinhaltend entweder eine tatsächlich selbstständige Tätigkeit (als Honorararzt) oder doch eine abhängige Beschäftigung, orientiert sich immer an der konkreten Ausgestaltung des Vertragskonstrukts und dessen „Leben in der Praxis“ im Einzelfall. Unter anderem die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zeigt deutlich auf, dass in der Praxis in aller Regel keine Selbstständigkeit, sondern ein Angestelltenverhältnis vorliegt.
Abgrenzungskriterium ist dabei der Grad der persönlichen Abhängigkeit. Gegen eine selbstständige Tätigkeit spricht hierbei die Eingliederung in einen fremden Betrieb sowie die Weisung von Zeit, Ort, Dauer und Art der Tätigkeit durch den Auftrag- respektive Arbeitgeber. Gegen ein Angestelltenverhältnis spricht ein hohes eigenes Unternehmerrisiko des Vertragspartners, eine eigene Betriebsstätte, die Höhe der Vergütung sowie die im Wesentlichen frei gestaltete Arbeitszeit und Tätigkeit. Auf die Bezeichnung des Vertrages als beispielsweise „Honorararztvertrag“ kommt es nicht an. Maßgeblich sind allein die tatsächlichen Verhältnisse.
Die regulatorischen Vorgaben für ein Krankenhaus führen in der Regel dazu, dass das ärztliche Krankenhauspersonal sowie Pflegefachkräfte zwangsläufig in die Organisations- und Weisungsstruktur des Betriebs eingegliedert werden müssen und sind (BSG, 04.06.2019, B 12 R 15/18 R).
Fazit: Der Honorararztvertrag ist kein „Arbeitsvertrag light“ zur leichten und sicheren Durchsetzung von Arbeitgeberinteressen. In der Praxis outen sich die meisten als Honorararzttätigkeiten betitelten Verhältnisse als echte Arbeitsverhältnisse. Daraus folgend offenbaren sich sodann insbesondere hohe sozialversicherungsrechtliche Nachzahlungsverpflichtungen.
Besteht trotz dieser „kritischen“ Rechtslage dennoch das dringende oder notwendige Erfordernis nach dem Abschluss eines Honorararztvertrages, ist im Einzelfall streng anhand der aufgezeigten Kriterien zu prüfen, ob wirklich eine Selbstständigkeit im rechtlichen Sinne begründet werden kann oder den tatsächlichen Verhältnissen nach doch eher „nur wieder“ ein Arbeitsverhältnis. Der Regelfall tendiert zu Letzterem. Deshalb ist es dringend angeraten, den Status des Betroffenen unter Aufzeigen des zum Abschluss geplanten Honorararztvertrages und dessen Durchführung in der Praxis vorab vom Sozialversicherungsträger überprüfen und feststellen zu lassen.
RA Helge Rust
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Medizinrecht