Unsere Kanzlei haben in jüngerer Vergangenheit Anfragen von Krankenhäusern erreicht, die sich für Tätigkeiten in der außerklinischen Intensivpflege interessieren. Aktueller Anlass dürfte unter anderem sein, dass nunmehr die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschuss über die Verordnung von außerklinischer Intensivpflege (AKI – RL) Anwendung auf jene Verordnungen findet, die ab dem 1. Januar 2023 erfolgen. Zudem hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung inzwischen mitgeteilt, welche Gebührenordnungspositionen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) ab dem 1. Dezember 2022 abgerechnet werden können, und das extrabudgetär.
Dabei stellen sich die rechtlichen Grundlagen wie folgt dar: Gemäß 37c SGB V haben Versicherte Anspruch auf außerklinische Intensivpflege. Voraussetzung hierfür ist ein besonders hoher Bedarf an medizinischer Behandlungspflege, d.h. das Erfordernis der ständigen Anwesenheit einer geeigneten Pflegefachkraft.
Außerklinische Intensivpflege bedarf der Verordnung durch Vertragsärztinnen und –ärzte, die für die Versorgung dieser Versicherten besonders qualifiziert sind, § 37c Abs. 1 Satz 4 SGB V.
Welche Voraussetzungen dafür zu erfüllen sind, ergibt sich aus der auf der Grundlage von §§ 37c Abs. 1 Satz 8, 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V erlassenen außerklinischen Intensivpflege–Richtlinie (AKI–RL), die der Gemeinsame Bundesausschuss im November 2021 beschlossen hat und die gemäß § 14 Abs.1 Satz 1 nunmehr zum 1. Januar 2023 in Kraft tritt.
Die Leistung der außerklinischen Intensivpflege darf -wie schon erwähnt- nur von Vertragsärztinnen oder -ärzten verordnet werden, die für die Versorgung dieser Versicherten besonders qualifiziert sind. Aus dem Umstand, dass § 95 SGB V bei den an der vertragsärztlichen Versorgung Teilnehmenden zwischen Vertragsärzten, die aufgrund ihrer Zulassung an ihr teilnehmen, und ermächtigten Ärzten, die aufgrund einer Ermächtigung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, differenziert, leitet sich nach hiesigen Verständnis ab, dass die Verordnung von außerklinischer Intensivpflege nicht von einem ermächtigten Arzt beziehungsweise einer ermächtigten Ärztin vorgenommen werden kann.
Wohl aber können auch Nichtvertragsärzte die sog. (Potenzial-) Erhebung nach § 5 AKI–RL durchführen, die jeder Verordnung von AKI vorangehen muss, §§ 37c Abs.1 Satz 6 SGB V, 5 Abs.2 AKI-RL. Neben Ärztinnen und Ärzten, die die Zusatzbezeichnung Intensivmedizin haben, können auch
- Fachärztinnen und Fachärzte für Innere Medizin und Pneumologie,
- Fachärztinnen und Fachärzte für Anästhesiologie mit mindestens 6-monatiger einschlägiger Tätigkeit in der prolongierten Beatmungsentwöhnung auf einer auf die Beatmungsentwöhnung von langzeitbeatmeten Versicherten spezialisierten Beatmungs-Entwöhnungseinheit,
- Fachärztinnen und Fachärzte für Innere Medizin, Chirurgie, Neurochirurgie, Neurologie oder Kinder- und Jugendmedizin mit mindestens 12-monatiger einschlägiger Tätigkeit in der prolongierten Beatmungsentwöhnung auf einer auf die Beatmungsentwöhnung von langzeitbeatmeten Versicherten spezialisierten Beatmungsentwöhnungs-Einheit,
- weitere Fachärztinnen und Fachärzte mit mindestens 18-monatiger einschlägiger Tätigkeit in der prolongierten Beatmungsentwöhnung auf einer auf die Beatmungsentwöhnung von langzeitbeatmeten Versicherten spezialisierten Beatmungsentwöhnungs-Einheit oder
- für die Erhebung des Potenzials zur Entfernung der Trachealkanüle bei nicht beatmeten Versicherten auch Fachärztinnen und Fachärzte mit mindestens 18-monatiger einschlägiger Tätigkeit in einer stationären Einheit der neurologisch-neurochirurgischen Frührehabilitation
die Erhebung durchführen.
Hierfür sind ab dem 1. Dezember 2022 die Gebührenordnungspositionen (GOP) 37700 ff. EBM abrechenbar. Die Potenzialerhebung wird bspw. mit knapp 30 Euro bezahlt, hinzu kommen u.U. Zuschläge und Pauschalen.
Cave: Die Befugnis zur Durchführung der Erhebung bedarf der Genehmigung durch die Kassenärztliche Vereinigung, also nicht einer Ermächtigung durch den Zulassungsausschuss. Diese Genehmigung ist – zwingend – zu erteilen, wenn der Antragsteller eine der in § 5 Abs. 1 Satz 1 AKI-RL erwähnten, vorstehend genannten Facharzt–Bezeichnungen führt, § 8 Abs. 2 Satz 1 AKI – RL.
(Ergänzend sei noch darauf verwiesen, was § 14 Abs. 2 Satz 1 AKI-RL statuiert. Danach dürfen die Leistungen der außerklinischen Intensivpflege (nur) von Leistungserbringern erbracht werden, die über Verträge gemäß § 132 l Abs. 5 SGB V verfügen. Der Verweis auf § 132 l Abs. 5 SGB V wiederum führt dazu, dass nur mit jenen zuverlässigen Leistungserbringern, die
- entweder eine Wohneinheit für mindestens zwei Versicherte betreiben, die Leistungen nach § 37c SGB V in Anspruch nehmen,
- oder die Leistungen nach § 43 SGB XI (vollstationäre Pflege)
- oder gemäß § 103 Abs. 1 SGB IX (Eingliederungshilfe) erbringen,
Verträge über die außerklinische Intensivpflege durch die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich abgeschlossen werden können. Diese Verträge regeln dann auch die Vergütung und die Abrechnung durch die Leistungserbringer.)
RA Stefan W. Kallenberg