Die Pandemie hebelt die bestehenden Regularien des Arbeitsrechts nicht aus. Allerdings gibt es Konstellationen, in denen sich das Geschehen in der Pandemie auf das Arbeitsverhältnis auswirken kann.
Denkbare Konstellationen einer verhaltensbedingten Kündigung
Es sind zahlreiche Gründe für eine verhaltensbedingte Kündigung denkbar. Die konfliktträchtigsten Felder sind die vom Arbeitgeber[1] ergriffenen Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz und privates Verhalten, welches in das Arbeitsverhalten ausstrahlen kann.
Arbeitsrechtliche Schutzmaßnahmen
Weigert sich der Arbeitnehmer, die vom Arbeitgeber angeordneten Arbeitsschutzmaßnahmen zu befolgen, oder kommt er seiner arbeitsrechtlichen Melde- und Offenbarungspflicht bei einer festgestellten Covid-19-Erkrankung oder einer angeordneten häuslichen Quarantäne nicht nach, kann der Arbeitgeber zunächst eine Abmahnung aussprechen und im Fall fortgesetzter Verstöße sogar eine verhaltensbedingte Kündigung. Die Rechtsprechung hat bereits anerkannt, dass Sicherheitsverstöße gegen solche Schutzmaßnahmen eine arbeitsrechtlich relevante Pflichtverletzung darstellen. Arbeitnehmer, die ein Attest zur Befreiung von diesen Schutzmaßnahmen beibringen, sollten unbedingt darauf achten, dass eine Diagnose und die zugehörigen Befundangaben auf dem Attest vermerkt sind. Pauschale Atteste können keine Befreiung begründen.
Umgekehrt hat jedoch auch derjenige Arbeitnehmer Konsequenzen zu befürchten, der sich trotz der vom Arbeitgeber ergriffenen und gebotenen Schutzmaßnahmen weigert, zu arbeiten. Die Arbeitsverweigerung kann zum Verlust des Entgeltanspruchs und schließlich auch des Arbeitsplatzes führen.
Verhalten im privaten Bereich
Grundsätzlich hat der Arbeitgeber keinerlei Einfluss auf das private Leben des Arbeitnehmers. Die Missachtung der pandemiebedingten Schutzmaßnahmen im privaten Bereich ist in der Regel für das Arbeitsverhältnis ohne Auswirkungen. Auch die Teilnahme an einer Demonstration gegen die „Corona-Politik“ oder etwa private Meinungsäußerungen, die die Gefahr der Pandemie leugnen, stellen zunächst kein arbeitsrechtlich relevantes Verhalten dar.
Anderes gilt jedoch für medizinisches Personal, das die pandemiebedingten Schutzmaßnahmen beispielsweise bei der Teilnahme an einer solchen Demonstration missachtet. Grund hierfür ist die erhöhte Gefahr, die Infektion in das berufliche Umfeld und an besonders vulnerable Gruppen weiterzutragen. Ein solches Verhalten kann zunächst eine Abmahnung begründen und im Wiederholungsfall sogar eine Kündigung rechtfertigen.
Anforderungen an betriebsbedingte Kündigungen
Eine betriebsbedingte Kündigung ist nicht allein durch einen pandemiebedingten Umsatzrückgang oder einen schlichten Hinweis auf die Pandemie gerechtfertigt. Grundsätzlich hat zunächst der Arbeitgeber das Risiko und die Konsequenzen der Umsetzung gesundheitspolitischer Maßnahmen zu tragen als Verwirklichung seines unternehmerischen Risikos. Gerechtfertigt ist eine betriebsbedingte Kündigung hingegen, wenn der Arbeitgeber im Einzelnen darlegen kann, dass ein dauerhafter Umsatzrückgang zu erwarten ist, der einen qualitativen oder quantitativen Stellenrückgang notwendig macht.
Personenbedingte Kündigung
Weder eine kurzfristige Covid-19-Erkrankung, noch eine behördlich angeordnete Quarantäne stellen zunächst einen personenbedingten Kündigungsgrund dar. Anders verhält es sich, wenn die Covid-19-Erkrankung einen langfristigen Arbeitsausfall oder eine dauerhafte und erhebliche Leistungsminderung mit sich bringt. Ist eine leidensgerechte Weiterbeschäftigung unternehmensweit zu ähnlichen oder verschlechterten Bedingungen nicht möglich, können die Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung bereits erfüllt sein.
Arbeitgeber sollten jedoch sicher sein, dass die Ursache der Arbeitsmängel krankheitsbedingt ist. Bei Zweifeln diesbezüglich ist es ratsam, vor einer Kündigung eine Abmahnung auszusprechen, um gegebenenfalls auch eine verhaltensbedingte Kündigung aussprechen zu können.
Ausblick: Impfpflicht?
Auch wenn eine Impfung gegen SARS-Cov-2 derzeit nicht vorgeschrieben ist, haben viele Arbeitgeber das Verlangen nach einer Impfverpflichtung und mögen versucht sein, diese mit ihrem Direktionsrecht durchzusetzen. Hiervon ist jedoch abzuraten. Ein solcher schwerwiegender Eingriff in Grundrechte des Arbeitnehmers ist nicht zu rechtfertigen.
Anders verhält sich dies im Falle der Implementierung einer gesetzlichen Impfpflicht. Hier könnte der Arbeitgeber impfunwilligen Arbeitnehmern nach Abmahnung fristlos verhaltensbedingt kündigen. Auch eine personenbedingte ordentliche Kündigung wegen Wegfalls der Eignung ist denkbar. Eine solche mangelnde Eignung bejahte das Bundesarbeitsgericht bereits im Falle eines fehlenden Masernimpfnachweises für eine Beschäftigung in einem Krankenhaus, einer Kita oder einer Schule.
Auch im Gesundheitswesen würde eine Impfpflicht die mangelnde Eignung des impfunwilligen Arbeitnehmers begründen können. Das erhöht bestehende Ansteckungsrisiko und die enge Arbeit mit besonders gefährdeten Personengruppen rechtfertigen den Einsatz geimpften Personals. Auch ein Fragerecht des Arbeitgebers bezüglich der Impfung sowie das Verlangen eines Impfnachweises bei Neueinstellung ist denkbar.
Es ist zu erwarten, dass die Arbeitsgerichte sich in Zukunft mit vielen dieser mannigfaltigen Problemstellungen werden beschäftigen müssen.
[1] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.
RA Helge Rust
Fachanwalt für Medizinrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht