Anfang November hat das Bundessozialgericht in zwei Verfahren entschieden, die die gescheiterte Mitnahme von besonderen Versorgungsaufträgen und deren weiteren Verbleib zum Inhalt hatten (BSG, Urt. v. 4.11.2021 – B 6 KA 13/20 & B 6 KA 14/20).
Der zugrunde liegende Sachverhalt
Die Klägerin ist Betreiberin eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) mit Sitz in der Stadt N. Sie erbringt Dialyseleistungen für gesetzlich Krankenversicherte. Die Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) der Dres. S & B (Beigeladene zu 1.) mit zwei Versorgungsaufträgen und Hauptsitz in der Stadt H, verfügte zusätzlich über eine ausgelagerte Praxisstätte in der Stadt N, in der ebenfalls Limited-Care-Dialysen erbracht wurden. Im Jahr 2011 teilte Dr. S der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KV) mit, dass er beabsichtige, die BAG zu verlassen. Er beantragte hierfür die Verlegung seines Vertragsarztsitzes in die Stadt I. Am 11.8.2011 beantragten die Dres. S & B zusätzlich die Verlängerung der Genehmigung für die ausgelagerte Praxisstätte in N. Sie beabsichtigten, dass Dr. S die Versorgung der Patienten in der ausgelagerten Praxisstätte in I übernehmen sollte. Aufgrund dieser Angaben erteilte die Beklagte Dr. S die Genehmigung für die Mitnahme seines Versorgungsauftrages nach I.
Gegen diese Genehmigung ging die Klägerin bereits erfolgreich vor (BSG, Urt. v. 15.3.2017 – B 6 KA 20/16 R). Eine weitere Klage des MVZ gegen den Betrieb der ausgelagerten Praxisstätte in I blieb erfolglos (BSG, Urt. v. 15.3.2017 – B 6 KA 35/16 R). Das BSG sah einen Rechtsschutz der Klägerin nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) als ausgeschlossen an. Verfassungsrechtlich relevante Rechtsschutzdefizite ergeben sich aus diesem Urteil aus Sicht des BSG nicht, da die Klägerin die Möglichkeit gehabt hätte, die Rechtswidrigkeit der Leistungserbringung durch Dr. S in I gegenüber der KV geltend zu machen. In Folge des erstgenannten Urteils ist jedoch durch Aufhebung der Genehmigung zur Mitnahme auch die Grundlage für den Betrieb der Praxisstätte durch Dr. S in I entfallen.
Streitpunkt und bisheriger Verfahrensgang
Streitig war zwischen den Parteien, der Verbleib des Versorgungsauftrages, dessen Mitnahme zunächst genehmigt und dann durch gerichtliches Urteil (BSG, Urt. v. 15.3. 2017 – B 6 KA 20/16 R) versagt wurde. Aus Sicht der Beklagten waren der Versorgungsauftrag und die Genehmigung zum Betrieb einer ausgelagerten Praxisstätte nach gescheiterter Mitnahme durch Dr. S bei der BAG in H verblieben, die mittlerweile dort Betreiberin eines MVZ ist.
Die Klägerin war anderer Ansicht und wandte sich hiergegen mit zwei Klagen. Zunächst begehrte sie die Feststellung, dass der Versorgungsauftrag, dessen Mitnahme gescheitert war, nicht bei der BAG bzw. dem von ihr betriebenen MVZ verblieben ist, sondern entfallen sei. Hilfsweise begehrte sie die Verpflichtung der Beklagten zur Anpassung der Versorgungsaufträge des MVZ. Das Sozialgericht (SG) hatte die Klage abgewiesen (SG für das Saarland, Urt. v. 22.7.2020 – S 2 KA 46/17). Es war der Auffassung, dass der Versorgungsauftrag nach versagter Mitnahme bei der BAG verblieben sei. Die BAG hätte nicht auf diesen verzichtet und eine anderweitige Erledigung sei nicht ersichtlich. Die Klägerin hatte mit ihrer Sprungrevision geltend gemacht, das Schreiben der BAG vom 11.8.2011 stelle eine Verzichtserklärung dar und ein Dialysearzt sei von der BAG bzw. dem MVZ seitdem nicht vorgehalten worden (BSG, Urt. v. 4.11.2021 – B 6 KA 13/20 R).
In einem weiteren Verfahren begehrt die Klägerin die Feststellung, dass die BAG bzw. das MVZ nicht über eine Genehmigung zur Behandlung gesetzlich Versicherter in der ausgelagerten Praxisstätte N verfügt. Das SG hatte der Klage weitgehend stattgegeben (SG für das Saarland, Urt. v. 22.7.2020 – S 2 KA 48/17). Zur Begründung hatte es ausgeführt, dass in dem Schreiben der Dres. S & B eine Verzichtserklärung zu sehen sei. Hiergegen wandten sich sowohl die Beklagte als auch das betreffende MVZ.
Die Entscheidung des BSG
Hinsichtlich des Feststellungsbegehrens entschied das BSG zwar, dass die Klägerin hierzu grundsätzlich im Rahmen einer defensiven Konkurrentenklage berechtigt war. Allerdings vermochte die Klägerin ihren Antrag aus Sicht des Gerichts nicht ausreichend zu begründen. Die Verpflichtung der KV zur Anpassung der Versorgungsanträge im Falle des Ausscheidens eines Dialysearztes und fehlender Nachbesetzung innerhalb von sechs Monaten gemäß § 5 Abs. 7 Qualitätssicherungsvereinbarung Blutreinigung bestehe zwar, allerdings habe diese Norm keinen drittschützenden Charakter zu Gunsten der konkurrierenden Anbieter.
Der von der Klägerin hilfsweise begehrte Entzug des Versorgungsauftrages durch die KV scheiterte mangels Berechtigung der Klägerin dies zu fordern.
Die Revision der beklagten KV war unzulässig, mangels Erfüllung der Begründungsanforderungen. Die Revision der Beigeladenen zu 1. war aus Sicht des BSG unbegründet. Hierzu führte es weiter aus, dass das SG dem Feststellungsbegehren der Klägerin zu Recht entsprochen habe. Die zum damaligen Zeitpunkt zwischen Dres. S & B bestehende BAG habe mit Schreiben vom 18.8.2011 auf die Genehmigung zur Führung einer Nebenbetriebsstätte verzichtet. Den von der Beigeladenen zu 1. behaupteten bedingten Verzicht sah das Gericht in der Erklärung nicht.
RA Prof. Dr. Bernd Halbe
Fachanwalt für Medizinrecht
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