Mit Urteil vom 19.01.2022 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass für Praktikanten*innen kein Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn besteht, wenn sie ein Pflichtpraktikum absolvieren, welches nach einer hochschulrechtlichen Bestimmung Zulassungsvoraussetzung für die Aufnahme des Studiums ist.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin wollte sich um einen Studienplatz im Fach Humanmedizin an einer staatlich anerkannten Privatuniversität bewerben. Zulassungsvoraussetzung war nach der geltenden Studienordnung u. a., dass ein sechsmonatiger Krankenpflegedienst absolviert wurde. Ein solches Praktikum absolvierte die Klägerin auf der Krankenpflegestation eines Krankenhauses, ohne dass mit ihr eine Vergütung vereinbart wurde. Die Klägerin begehrte mit ihrer Klage unter Berufung auf das Mindestlohngesetz (MiLoG) eine nachträgliche Vergütung ihrer erfolgten Tätigkeit. Die Klägerin war der Auffassung, bei einem Vorpraktikum würde es sich nicht um ein Pflichtpraktikum nach dem MiLoG handeln, und der Anwendungsbereich des Gesetzes sei demnach eröffnet.
Klage und Berufung wurden im Ergebnis vom zuständigen Landesarbeitsgericht (LAG) ab- bzw. zurückgewiesen, und auch das BAG hat in seiner Entscheidung zur Revision der Klägerin einen Anspruch auf Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns nach § 1 i.V.m. § 22 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 MiLoG abgelehnt. Nach Auffassung des BAG sei die Klägerin nicht vom persönlichen Geltungsbereich des MiLoG umfasst. Das BAG führt hierzu aus, dass sich der Ausschluss von Ansprüchen auf Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns nach § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MiLoG auch auf Praktika erstrecke, welche als Zulassungsvoraussetzung für bestimmte Studiengänge vorgeschrieben sind. Dies stützt das BAG auf den vom Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebrachten Willen, nicht nur obligatorische Praktika während des Studiums vom Anwendungsbereich des Gesetzes auszunehmen. Eine Ausnahme von der Vergütungspflicht sei daher auch für ein Vorpraktikum gegeben.
Dem steht nach Auffassung des Gerichts auch nicht entgegen, dass die Studienordnung von einer privaten Universität erlassen wurde, sofern diese staatlich anerkannt wurde. Dies habe zur Folge, dass die von der privaten Universität geschaffenen Zugangsvoraussetzungen einer öffentlich-rechtlichen Regelung gleichgestellt werden können. Daher liegt nach Auffassung des BAG auch kein sachwidriges Umgehen des grundsätzlichen Anspruchs auf den gesetzlichen Mindestlohn vor.
RA Helge Rust
Fachanwalt für Medizinrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht