Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat am 19. November 2021 einen Beschluss zur Ausweitung der Möglichkeiten einer Krankschreibung per Videosprechstunde gefasst und dem Bundesministerium für Gesundheit vorgelegt. Wird dieser Beschluss nicht beanstandet, tritt er durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft. Schon seit Oktober 2020 können sich Versicherte bei einer Vertragsärztin oder einem Vertragsarzt per Videosprechstunde krankschreiben lassen, bislang allerdings nur, wenn sie in der Praxis bereits bekannt waren. Der G-BA weitet die Möglichkeit zur Krankschreibung per Videosprechstunde nun auf alle Versicherten aus. Patientinnen und Patienten sollen künftig von einer Vertragsärztin oder einem Vertragsarzt per Videosprechstunde krankgeschrieben werden können, wenn sie in der Praxis bislang unbekannt sind. Eine vorangegangene unmittelbare ärztliche Untersuchung in der Praxis ist nicht mehr erforderlich.
Hintergrund
Anlass für diese Ausweitung sind Regelungen aus dem Gesetz zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege (DVPMG). Der G-BA hat den gesetzlichen Auftrag erhalten, die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung zu ermöglichen. Damit wird der in der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie des G-BA festgelegte Grundsatz, dass die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit und ihrer Dauer ausschließlich nach einer ärztlichen Untersuchung erfolgen darf, aufgelockert.
Unterschiede in der Dauer der erstmaligen Krankschreibung
Allerdings ist die erstmalige Krankschreibung per Videosprechstunde für die in einer Praxis bislang unbekannten Versicherten nur für bis zu drei Kalendertage möglich. In einer Praxis bereits bekannte Versicherte können bis zu sieben Tage per Video krankgeschrieben werden.
Weitere Voraussetzungen zur Videokrankschreibung bleiben unverändert – Versicherte haben keinen Anspruch
Der G-BA hält auch künftig daran fest, dass die Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit per Video im konkreten Fall medizinisch möglich sein muss. Die Erkrankung muss für eine Videountersuchung zugänglich sein. Dieses Faktum obliegt der Einschätzung der behandelnden Ärztin respektive des behandelnden Arztes. Ein unbedingter Anspruch der Versicherten auf Videokrankschreibung besteht daher nicht. Auch die Regelungen zur Folgekrankschreibung per Videosprechstunde bleiben unverändert. Diese ist nur dann möglich, wenn der Patient oder die Patientin zunächst aufgrund einer unmittelbaren Untersuchung in der Praxis krankgeschrieben wurde. Im umgekehrten Fall wird nach der Krankschreibung per Videosprechstunde für eine mögliche Folgebescheinigung ein persönlicher Praxisbesuch erforderlich.
Pandemiebedingte Sonderregelung
Ungeachtet dessen gilt bis zum 31.12.2021 weiterhin die pandemiebedingte Sonderregelung zur telefonischen Krankschreibung für Patientinnen und Patienten, die unter einer Atemwegserkrankung leiden. Die Krankschreibung aufgrund leichter Atemwegserkrankungen kann telefonisch für bis zu sieben Kalendertage erfolgen und einmalig um bis zu sieben weitere Kalendertage verlängert werden.
RA Helge Rust
Fachanwalt für Medizinrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht