Das Bundessozialgericht (BSG) hat entschieden, dass gleichgeschlechtliche Ehepaare keinen Anspruch gegen die gesetzlichen Krankenkassen auf die Erstattung einer durchgeführten Kinderwunschbehandlung haben (Urteil v. 10.11.2021, Az.: B1 KR 7/21 R).
Der zugrunde liegende Sachverhalt
Die in einer gleichgeschlechtlichen Ehe lebende Klägerin litt an einer Fertilisationsstörung. Im Jahre 2018 begehrte sie von der Beklagten die Kostenübernahme für Arzneimittel und Behandlungsversuche der Insemination und In-vitro-Fertilisation (Kinderwunschbehandlung). Da es sich um ein gleichgeschlechtliches Paar handelte, war eine Behandlung mit Spendersamen erforderlich (heterologe Insemination).
Vor dem Sozialgericht Würzburg und vor dem Bayerischen Landessozialgericht hatte die Klägerin keinen Erfolg. Die Vorinstanzen begründeten ihre Entscheidungen damit, dass die maßgebliche Vorschrift, § 27a Absatz 1 Nummer 4 SGB V, ausschließlich die Verwendung von Ei- und Samenzellen der Ehegatten verlangt (homologe Insemination). Die Kosten einer heterologen Insemination der Klägerin seien somit nicht zu erstatten. Die Klägerin rügte eine Verletzung des Gleichheitssatzes nach Art. 3 Grundgesetz (GG) und machte geltend, dass § 27a SGB V dazu führe, dass faktisch nur verschiedengeschlechtliche Ehepaare eine Kinderwunschbehandlung verlangen könnten. Dies würde die vom Gesetzgeber gewollte Gleichstellung der gleichgeschlechtlichen Ehe unterlaufen.
Die Entscheidung des BSG
Das BSG schloss sich den Einschätzungen der Vorinstanzen an und hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Nach Ansicht des BSG bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Ungleichbehandlung von Ehepaaren, die über zur Fortpflanzung taugliche Ei- und Samenzellen verfügen, gegenüber Ehepaaren, bei denen dies nicht der Fall ist, sei gerechtfertigt.
Nach dem BSG setzt § 27a SGB V voraus, dass die Zeugungsfähigkeit des Ehepaares grundsätzlich besteht aber aufgrund einer krankheitsähnlichen Komponente eingeschränkt, jedoch nicht vollständig aufgehoben ist. Die in gleichgeschlechtlicher Ehe lebende Klägerin begehrt nicht (nur) die Überwindung einer krankheitsähnlichen Situation, sondern die Kompensation einer nicht bestehenden Zeugungsfähigkeit mittels heterologer Insemination.
Laut BSG führt die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe nicht zu einer anderen Bewertung, denn aus dieser ergibt sich nicht die Verpflichtung des Gesetzgebers, die zeugungsbiologischen Grenzen einer solchen Ehe mit Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung auszugleichen.
Schließlich liegt auch kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nach Art. 3 Absatz 3 GG vor, denn es handelt sich um eine geschlechterunabhängige Privilegierung der homologen gegenüber der heterologen Insemination, die sowohl gleichgeschlechtliche als auch absolut unfruchtbare gemischtgeschlechtliche Ehepaare betrifft.
RA Helge Rust
Fachanwalt für Medizinrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht