Zwei Urteile der Finanzgerichtsbarkeit aus jüngster Zeit machen -einmal mehr- deutlich, dass Ärzte und Zahnärzte gewärtigen müssen, die Einnahmen aus ihrer Praxis nicht als Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit, sondern als solche aus Gewerbebetrieb zu versteuern.
Grundsätzlich erzielen Ärzte und Zahnärzte als freiberuflich Tätige Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit, § 18 Abs.1 Nr.1 Sätze 1 und 2 EstG. Das gilt auch dann, wenn sich ein Angehöriger eines freien Berufs der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient; Voraussetzung ist, dass er auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird, § 18 Abs.1 Nr.1 Satz 3 EStG.
Welche Voraussetzungen hierfür erfüllt sein müssen, hat die Finanzgerichtsbarkeit in zwei Urteilen, die aus der zweiten Hälfte des Jahres 2021 datieren, judiziert.
So hat das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz jüngst entschieden, dass die Einkünfte, die durch die Partnerschaftsgesellschaft einer Gemeinschaftspraxis erzielt werden, gewerblich infiziert sind, wenn in der Praxis eine Arbeitsteilung stattfindet, bei der ein Zahnarzt vorwiegend organisatorische, verwaltende und managende Tätigkeiten ausübt (FG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 16.9.2021 – 4 K 1270/19).
Die Klägerin – eine aus mehreren Zahnärzten bestehende Partnerschaftsgesellschaft – wandte sich mit der Klage gegen einen Gewinnfeststellungsbescheid des beklagten Finanzamtes, nach welchem die Einkünfte, die durch die Gemeinschaftspraxis erzielt wurden, als gewerblich zu qualifizieren seien, da nicht jeder Gesellschafter alle Merkmale der selbstständigen Arbeit in eigener Person erfülle. Das Gericht wies die Klage als unbegründet ab.
Hierzu führte es aus, dass die Tätigkeit des betreffenden Zahnarztes in der Gemeinschaftspraxis der Klägerin nicht dem Berufsbild eines eigenverantwortlich und leitend tätigen Zahnarztes entspreche. In der Konsequenz handele es sich um eine gewerbliche Tätigkeit, die sämtliche Einkünfte der Klägerin infiziere. Eine eigenverantwortliche Tätigkeit aufgrund eigener Fachkenntnisse sei gerade dadurch gekennzeichnet, dass der Berufsträger die fachliche Verantwortung für die von seinen Mitarbeitern erbrachten Leistungen gegenüber den Patienten übernehme. Dies sei nur zu gewährleisten, wenn dieser in ausreichendem Umfang an der praktischen zahnärztlichen Arbeit teilnimmt. Dies hatte der betreffende Zahnarzt versäumt, indem er vorwiegend mit Management, Organisation und Verwaltung der Praxis beschäftigt gewesen war.
In einem weiteren Urteil vom 26.11.2021 – 1 K 1193/18 G,F- hat sich das Finanzgericht Münster mit einer Fallkonstellation befasst, in der eine augenärztliche Berufsausübungsgemeinschaft über zwei Standorte verfügte. An einem Standort arbeitete ausschließlich die in dem Rechtsstreit beigeladene, „fertige“ Fachärztin für Augenheilkunde, die zu jener Zeit, in der die Steuerpflicht in Streit stand, nicht an dem Gesellschaftsvermögen beteiligt war.
Weil die Gesellschafter diejenige als freie Mitarbeiterin beschäftigt und mit ärztlichen Aufgaben betraut haben, seien sie selbst insoweit nicht mehr eigenverantwortlich tätig gewesen. In Anbetracht dessen habe die Tätigkeit der Berufsausübungsgemeinschaft als Personengesellschaft in vollem Umfang als Gewerbebetrieb gemäß § 15 Abs.3 Nr.1 EStG zu gelten, führt das FG in den Urteilsgründen aus.
Zwar wird gemäß § 18 Abs.1 Nr.1 Satz 3 EStG der Angehörige eines freien Berufs auch dann freiberuflich tätig, wenn er sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte, unabhängig von deren arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Status, bediene. Voraussetzung sei jedoch, so das FG, dass er aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig werde.
Das sei nur dann der Fall, wenn die Ausführung jedes einzelnen Auftrags dem Steuerpflichtigen selbst und nicht den qualifizierten Mitarbeitern zugerechnet werden könne. Eine gelegentliche fachliche Überprüfung der Mitarbeiter sei hierfür, auch nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, nicht ausreichend.
Die Tatbestandsmerkmale „leitend“ und „eigenverantwortlich“, die nach der Auffassung des Finanzgerichts kumulativ gegeben sein müssen, waren in dem streitgegenständlichen Fall nicht erfüllt. Die Berufsausübungsgemeinschaft hatte die fachlich vorgebildete Arbeitskraft, die „fertige“ Fachärztin für Augenheilkunde war, mit der selbständigen Behandlung von Patienten beauftragt. Sie konnte nicht nur Behandlungsverträge mit den Patienten abschließen und durchführen, sondern übte darüber hinaus das fachliche Direktionsrechts des Arbeitgebers aus.
Da die Gesellschafter der Berufsausübungsgemeinschaft die von der Fachärztin durchgeführten Behandlungen nicht umfassend selbst begutachtet oder in anderer Weise hierauf Einfluss genommen haben, haben sie nach der Rechtsauffassung des FG keine leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit ausgeübt. Eine Betreuung, Beratung oder gar Kontrolle der Fachärztin sei nicht erfolgt, so dass die Gesellschafter auch nicht nach Außen die Verantwortung für die Behandlung übernehmen konnten.
Hieraus hat das Finanzgericht im Ergebnis abgeleitet, dass die Gesellschafter der Personengesellschaft ihre Leistungen nur zu einem Teil freiberuflich, zu dem verbleibenden Teil jedoch, den die Fachärztin erbracht hat, gewerblich ausgeübt haben. Dies machte ihre Tätigkeit in toto zu einer gewerblichen, § 15 Abs.3 Nr. 1 EStG!
Stefan W. Kallenberg
Rechtsanwalt (of Counsel)
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Herr Kallenberg hat vor seinem Eintritt in die Kanzlei in verschiedenen Funktionen im Arbeits- und Sozialrecht gearbeitet, so zunächst in der Rechtsabteilung einer international tätigen Unternehmensberatung mit dem Schwerpunkt der Rechtsberatung zu Fragen der betrieblichen Altersversorgung.
Mitte der 1990’iger Jahre wechselte er als stellvertretender Justitiar zur Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, um dann ab der Jahrtausendwende deren Bezirksstelle in Köln als Verwaltungsdirektor und Geschäftsführer zu leiten.
In den 27 Jahren seiner Tätigkeit für die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein ist Herr Kallenberg zu einem Kenner jener Rechtsfragen geworden, die sich mit den Aufgaben einer Kassenärztlichen Vereinigung verbinden: Sicherstellung, Gewährleistung und Interessensvertretung vertragsärztlicher Tätigkeit im System der gesetzlichen Krankenversicherung. Hier liegt auch der Schwerpunkt seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt in der Kanzlei DR. HALBE RECHTSANWÄLTE.