Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde (Az.: VI ZR 1104/20, Beschluss vom 16.02.2021) über den Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Hersteller einer Hüftprothese zu entscheiden.
Die Vorgeschichte des Falles
Der Klägerin war im Jahr 2007 eine Hüftprothese der Beklagten implantiert worden. Ab dem Jahr 2014 ließ die Klägerin regelmäßig Blutuntersuchungen zur Ermittlung ihrer Chrom- und Kobaltwerte durchführen. Die Klägerin vertritt die Ansicht, die Hüftprothese weise einen Produktfehler auf, weil sie zu einem erhöhten Metallabrieb führe. Daher wollte die Klägerin die Schadensersatzpflicht der Beklagten zur Zahlung materieller und immaterieller Schäden gerichtlich festgestellt haben.
Das Landgericht wies die Klage nach der Einholung eines toxikologischen Gutachtens einer Sachverständigen zurück. Die Berufung wurde durch das Oberlandesgericht abgewiesen und eine Revision nicht zugelassen. Hiergegen wandte die Klägerin ihre Nichtzulassungsbeschwerde.
Aus den Entscheidungsgründen des BGH
Der BGH gab dieser Beschwerde Recht, da das angefochtene Urteil auf der Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG beruhe. Das Verfahren wurde daher an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der BGH hat seine Entscheidung insbesondere darauf gestützt, dass das Gericht die Anforderungen an Substantiierung des Parteivortrags überspannt habe. Aus Arzthaftungsprozessen sei bekannt, dass an die Substantiierungspflicht des Patienten bei fachspezifischen Fragen nur maßvolle Anforderungen gestellt werden dürften. Dies lasse sich auf die Konstellation übertragen, dass in einem Produkthaftungsfall medizinische Fragen ausschlaggebend seien.
Das toxikologische Gutachten hatte das Vorliegen von Pseudotumoren für nicht belegt gehalten. Die Klägerin hingegen hatte ein Attest vorgelegt, aus dem sich ergebe, dass bei der Patientin typische Symptome eines Pseudotumors bestünden. Daraufhin hatte die Klägerin die Einholung eines orthopädischen Gutachtens angeregt, da es möglich sei, dass Metalldepots im Körper gebildet würden, die nicht durch Blutuntersuchungen festgestellt werden könnten. Hierin sei ein ausreichendes Vorbringen zu sehen, stellte der BGH fest.
Außerdem hätte das Berufungsgericht nicht darauf verweisen dürfen, dass ein MRT-Gutachten aus dem Jahr 2014 keine Hinweise für Pseudotumore geliefert hatte, da das Gutachten aufgrund des Zeitpunkts das aktuelle Vorliegen eines Pseudotumors nicht ausschließen könne.
Fazit
Die Entscheidung des BGH macht deutlich, dass auch in Prozessen außerhalb des Arzthaftungsrechts die Grundsätze zum Vorbringen der Parteien bei medizinischen Sachverhalten einschlägig sein können. Die Anforderungen an das Parteivorbringen wurden in den letzten Jahren durch die Rechtsprechung immer niedriger angesiedelt. Im Verfahren gegen Medizinproduktehersteller muss daher dem Vorbringen des Patienten substantiiert und kritisch begegnet werden.
RAin Aylin Grollmann
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