Der 1997 geborene Kläger machte gegen das beklagte Krankenhaus wie auch den ihn behandelnden Oberarzt einen Anspruch auf Schadensersatz wegen behaupteter ärztlicher Versäumnisse im Zusammenhang mit einer im Jahr 2003 erfolgten Zirkumzision (Entfernung der Penisvorhaut) geltend.
Zur Begründung führte er aus, die Diagnose einer Phimose sei falsch und der Eingriff medizinisch nicht indiziert gewesen. Zunächst habe eine Salbentherapie erfolgen müssen. Die postoperativ erfolgte Versorgung mit einer C.-Salbe sei sodann fehlerhaft gewesen. Zudem seien die Eltern des Klägers seinerzeit nicht ausreichend über den Eingriff sowie mögliche Behandlungsalternativen aufgeklärt und eine Einwilligung des Vaters des Klägers überhaupt nicht eingeholt worden.
Zu den ihm entstandenen Schäden trug der Kläger vor, er leide seit dem Eingriff an diversen lokalen Beschwerden und seit Beginn der Geschlechtsreife im Jahr 2011 an Erektionsstörungen. Insgesamt sei ein irreversibel verstümmelter Zustand eingetreten, der zu einer Anpassungsstörung geführt habe; er befinde sich deshalb in psychotherapeutischer Behandlung. Für die bis zur letzten mündlichen Verhandlung entstandenen immateriellen Schäden verlangte er ein Teilschmerzensgeld in Höhe von mindestens 30.000 € sowie den Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten.
Die Berufung gegen das bereits erstinstanzlich klageabweisende Urteil des Landgerichts hat das Oberlandesgericht Düsseldorf (Urt. v. 01.07.2021, Az.: 8 U 165/20) abgewiesen.
Neben den Ausführungen des Gerichts in den Urteilsgründen zu den zivilrechtlich relevanten Haftungsgrundlagen wie etwaigen Behandlungsfehlern und/oder mangelnder Aufklärung, finden sich dort auch Aussagen zu einer Fallkonstellation wie der vorliegenden, in der die Behandlungsdokumentation zum Zeitpunkt der Anrufung der Gerichtsbarkeit nicht mehr vorhanden ist.
Grundsätzlich sei im Arzthaftungsprozess, so das Oberlandesgericht unter Hinweis auf die einschlägige Literatur, davon auszugehen, dass die von dem Arzt zu führende Behandlungsdokumentation den für die haftungsrechtliche Überprüfung zugrunde zu legenden Sachverhalt in seiner Gesamtheit widerspiegelt, mithin die darin dokumentierten diagnostischen und therapeutischen Behandlungsmaßnahmen durchgeführt und die vorwerfbar nicht dokumentierten unterlassen wurden.
Dieser Grundsatz gelte allerdings nicht, wenn die Behandlungsdokumentation durch den Arzt nicht mehr aufzubewahren war, bevor erstmals Ansprüche gegen ihn geltend gemacht werden. Krankenunterlagen sind regelmäßig nicht länger als zehn Jahre aufzubewahren, § 630f Abs.3 BGB (mit weiteren Nachweisen auf die Rechtsprechung vor Inkrafttreten des § 630f Abs. 3 BGB), es sei denn, andere Vorschriften normieren eine längere Aufbewahrungsfrist.
Muss der Arzt oder Krankenhausträger danach die Krankenunterlagen nicht länger als zehn Jahre aufbewahren, darf ihm nach diesem Zeitablauf wegen der Vernichtung, wegen des Verlusts oder ihrer Unvollständigkeit kein Nachteil in Form fehlender Exkulpationsmöglichkeiten und einer daraus abzuleitenden Haftung entstehen.
Stefan W. Kallenberg
Rechtsanwalt (of Counsel)
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Herr Kallenberg hat vor seinem Eintritt in die Kanzlei in verschiedenen Funktionen im Arbeits- und Sozialrecht gearbeitet, so zunächst in der Rechtsabteilung einer international tätigen Unternehmensberatung mit dem Schwerpunkt der Rechtsberatung zu Fragen der betrieblichen Altersversorgung.
Mitte der 1990’iger Jahre wechselte er als stellvertretender Justitiar zur Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, um dann ab der Jahrtausendwende deren Bezirksstelle in Köln als Verwaltungsdirektor und Geschäftsführer zu leiten.
In den 27 Jahren seiner Tätigkeit für die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein ist Herr Kallenberg zu einem Kenner jener Rechtsfragen geworden, die sich mit den Aufgaben einer Kassenärztlichen Vereinigung verbinden: Sicherstellung, Gewährleistung und Interessensvertretung vertragsärztlicher Tätigkeit im System der gesetzlichen Krankenversicherung. Hier liegt auch der Schwerpunkt seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt in der Kanzlei DR. HALBE RECHTSANWÄLTE.