Bei der Vereinbarung von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten ist Vorsicht geboten. Für den Fall des Ausscheidens aus einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) drohen erhebliche honorarrechtliche Konsequenzen. Diese wurden vom Landessozialgericht Hamburg mit Urteil vom 24.06.2020 (L 5 KA 13/19) noch einmal aufgezeigt.
Mit der Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots verpflichtet sich der Arzt, sich im Falle des Ausscheidens aus einer BAG oder auch bei einem Praxisverkauf, für eine bestimmte Zeit, in einer näher zu definierenden Umgebung nicht niederzulassen. Ein Wettbewerbsverbot ist allgemein üblich und nach ständiger Rechtsprechung für eine zeitliche Höchstgrenze von bis zu zwei Jahren zulässig. Zudem muss die räumliche Reichweite zum Schutz des unmittelbaren Standorts der Praxis auch erforderlich sein. In der Regel verpflichtet sich der ausscheidende bzw. verkaufende Arzt zudem, aus dem benannten Bereich stammende Patienten nicht in seine neue Praxis mitzunehmen. In der Folge muss dieser in seiner neuen Praxis neue Patienten binden sowie neue Zuweiserkontakte aufbauen und kann mithin regelmäßig in den Anfängen nur deutlich unter dem Fachgruppendurchschnitt liegende Honorare erwirtschaften.
Dies ist neben dem Offensichtlichen insbesondere insofern problematisch, als dass der Arzt nach der geltenden Honorarverteilung entsprechend der Einnahmen aus den ersten Quartalen begrenzt wird. Der ausscheidende Arzt hat mithin ein enormes Interesse, in der neuen Praxis von Anfang an möglichst hoch einzusteigen. Ist es dem Arzt jedoch nicht möglich, bisher behandelte Patienten mitzunehmen, wird es schwierig, von Beginn an möglichst viele Einnahmen zu erreichen.
Gegen die Honorarkürzung durch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) klagte ein Neurochirurg aus Hamburg. Dieser vertrat unter anderem die Auffassung, dass für ihn das sog. „Jungpraxenprivileg“ gelte. Für Aufbau– bzw. Jungpraxen gilt die Leistungsbegrenzung nicht. Eine Praxis ist dann nicht mehr im Aufbau, wenn seit der ersten Niederlassung des betreffenden Arztes mehr als 20 Quartale vergangen sind und/oder der Fachgruppendurchschnitt (bezogen auf die Fallzahl) im Vorjahresquartal erreicht ist. Jungpraxen können für eine Aufbauphase von drei bis fünf Jahren die Erhöhung der Fallzahlen bis zum Fachgruppendurchschnitt in Anspruch nehmen.
Sowohl das Sozialgericht (SG) in erster Instanz sowie das LSG in zweiter Instanz sahen das „Jungpraxenprivileg“ allerdings als nicht einschlägig an. Die Gerichte stützten Ihre Entscheidungen maßgeblich auf die Tatsache, dass der Chirurg bereits seit Quartal I/2010 zugelassen ist und der Standort innerhalb desselben Planungsbereichs verlegt wurde. Wenn sich ein Arzt nach Abschluss seiner Aufbauphase dazu entscheidet, eine Einzelpraxis zu gründen, liege dies in dessen alleinigem unternehmerischen Verantwortungsbereich und es könne mitnichten von einer Aufbaupraxis gesprochen werden. Von einer Aufbaupraxis könne immer nur während eines Zeitraums von 12 Quartalen nach erstmaliger Praxisaufnahme neu zugelassener Ärzte gesprochen werden. Die Verlegung eines Standorts innerhalb desselben Planungsbereichs lasse die Zulassung hingegen unberührt.
Mithin empfiehlt es sich in der Praxis, nachvertragliche Wettbewerbsverbote genauestens unter die Lupe zu nehmen und gegebenenfalls zeitlich sowie räumlich herunterzuhandeln. Daneben besteht die Möglichkeit, dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot durch sonstige individuelle Vereinbarungen zu begegnen: Denkbar ist eine Vereinbarung, das Wettbewerbsverbot im Gegenzug zu einer Reduzierung der Abfindungszahlung oder etwa durch Leistung einer Ausgleichszahlung aufzuheben.
Praxistipp: Auch wenn ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot bereits unter Dach und Fach ist, lohnt es sich in vielen Fällen, dies einer genauen rechtlichen Prüfung zu unterziehen. Oftmals schlägt der Vertragspartner über die Strenge, sodass das Wettbewerbsverbot gar nicht wirksam vereinbart ist. Die Jungpraxenregelung ist eine Art Existenzgründerzuschuss. Daher versuchen immer wieder Berufsausübungsgemeinschaften mit Ärzten, die schon länger als zwei Jahre selbstständig tätig sind, in den Genuss der Privilegierung zu gelangen
RAin Aylin Grollmann
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