Das OLG Nürnberg hat in seinem Urteil vom 09.03.2020 (Az. 5 U 634/18) entschieden, dass auch die Durchführung von Leistungen der Magnetresonanztomographie (MRT) für einen Facharzt für Orthopädie, Chirurgie und Unfallchirurgie gegenüber privaten Krankenversicherungen abrechenbar sei, da es sich hierbei nicht um fachgebietsfremde Leistungen handle und die fehlende Zusatz-Weiterbildung „Magnetresonanztomographie – fachgebunden“ eine persönliche Leistungserbringung durch den Facharzt nicht ausschließe.
Als Klägerin in dem zugrundeliegenden Verfahren trat eine private Krankenversicherung auf, die von dem beklagten Arzt aus übergegangenem Recht Arzthonorar zurückforderte. Der Beklagte, der neben der Facharztbezeichnung Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie noch weitere Facharztbezeichnungen führte, hatte den Versicherungsnehmern der Klägerin das streitgegenständliche Arzthonorar für MRT-Leistungen berechnet.
Das im Rahmen der Berufung angerufene OLG Nürnberg entschied, der Beklagte habe die streitgegenständlichen Leistungen der MRT auf Grundlage der mit den Patienten abgeschlossenen Behandlungsverträge zu Recht abgerechnet und schloss sich damit dem erstinstanzlichen Urteil des Landgerichts Regensburg vom 06.02.2018 (Az. 4 O 2233/16) an. Dies ist zunächst insofern kontrovers, da es im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherungen nach wie vor herrschenden Rechtsprechung ist, dass die Abrechnung von MRT-Leistungen durch einen Orthopäden ohne Zusatz-Weiterbildung unzulässig ist. Dies wurde von der Rechtsprechung bislang damit begründet, dass die Konzentration kernspintomographischer Leistungen bei dafür speziell und umfassend qualifizierten Ärzten der Qualitätssicherung in der vertragsärztlichen Versorgung diene und im Interesse gewichtiger Gemeinwohlbelange, namentlich der Gesundheit der Versicherten sowie der finanziellen Stabilität und Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung, erfolge (vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.07.2004, Az. 1 BvR 1127/01).
Als zentrale Aussage befand das OLG, dass die Leistungen von MRT-Aufnahmen für einen Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, nicht fachgebietsfremd sind. Die Durchführung dieser Leistungen stelle sich für einen Facharzt der Orthopädie, Chirurgie und Unfallchirurgie vielmehr als gebietskonform dar. Zwar würden die die streitgegenständlichen MRT-Leistungen nicht zum Inhalt des Gebietes der Chirurgie gehören, dem auch die Facharztbezeichnung Orthopädie und Unfallchirurgie zugeordnet ist sowie seien die Weiterbildungsinhalte zur Festlegung der Gebietsgrenzen nicht mehr heranzuziehen, weswegen die Absolvierung einer Zusatz-Weiterbildung „Magnetresonanztomographie – fachgebunden“ keine Auswirkungen auf die Gebietskonformität von MRT-Leistungen habe. Die Gebietskonformität lasse sich allerdings schon aus dem Begriff des „Erkennens“ der Gebietsdefinition in der Weise entnehmen, als dass in den Inhalt des Gebiets „Chirurgie“ alle Methoden eingeschlossen seien, die zu einer Diagnostizierung der gebietsbezogenen Erkrankungen zum Einsatz kommen können – somit auch die MRT. Die Erlangung einer überdies für das Merkmal der persönlichen Leistungserbringung erforderlichen hinreichenden fachlichen Befähigung könne dabei schon durch eine Qualifizierung außerhalb der Zusatz-Weiterbildung „MRT – fachgebunden“ erworben werden.
Höchst fraglich und demnach jedenfalls diskussionswürdig ist, ob diese (Kern-) Aussagen des Urteils, welches zuletzt für großes Aufsehen in den Fachkreisen sorgte, so überhaupt aufrechtzuerhalten sind und die Entscheidung unter Umständen nicht sogar aufzuheben ist.
Das OLG verkennt zunächst schon, dass aus dem Begriff der „Erkennung“ allein keine Rückschlüsse auf konkrete Untersuchungs- und Behandlungsmethoden möglich sind. Die Weiterbildungsordnung folgt einem positiven Regelungsprinzip, sodass gebietszugehörige Methoden stets bereits ausdrücklich in der Gebietsdefinition Erwähnung finden und in den Weiterbildungsinhalten lediglich durch eindeutig bestimmte Weiterbildungszeiten und Richtzahlen konkretisiert werden. Jedenfalls in den Weiterbildungsinhalten des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie ist die Durchführung von MRT Untersuchungen nicht aufgeführt. Problematisch erscheint zudem, dass der Begriff des „Erkennens“ zu unbestimmt ist, um auf konkrete Verfahren schließen zu lassen. Auch systematische Erwägungen sprechen gegen die Auffassung des Gerichts, denn allein in der Definition des Gebiets der Radiologie ist die Begrifflichkeit der „Erkennung“, die in der Definition vieler Gebiete enthalten ist, mit den dafür zur Verfügung stehenden, bestimmten bilddiagnostischen Verfahren verknüpft, woraus man entnehmen kann, dass ein Rückschluss auf bestimmte Methoden in anderen Gebieten ohne deren konkrete Benennung nicht zulässig sein kann. Überdies würde aus der Anerkennung von MRT-Untersuchungen als gebietskonforme Tätigkeiten aller Gebiete und Facharztbezeichnungen zwangsläufig resultieren, dass sich das Tätigkeitsfeld, das den Fachärzten für Radiologie zur alleinigen Ausübung und damit zur Schaffung ihrer ausreichenden Lebensgrundlage verbleibt, in erheblicher Weise verkleinert wäre.
Auch die Ansicht des OLG, wonach sich die Fachgebietsgrenzen ausschließlich anhand der Inhalte der Gebietsbeschreibung bestimmen lassen, ist nicht zustimmungswürdig. Auch wenn der Wortlaut des § 2 Abs. 2 S. 3 WBO BLÄK 2004 dies nahezulegen scheint, beschränkt sich der Inhalt der Norm jedenfalls nach systematischer Auslegung letztlich darauf, dass ein Arzt, der eine bestimmte Facharztbezeichnung führt, lediglich dazu angehalten ist, die Grenzen seines Gebiets zu wahren. Er ist berufsrechtlich jedoch nicht daran gehindert, auch außerhalb der seiner Facharztbezeichnung zugehörigen Weiterbildungsinhalte tätig zu werden, solange er hierbei die Gebietsgrenzen einhält. Demnach wird ausschließlich bestimmt, dass die Weiterbildungsinhalte der Facharztbezeichnungen innerhalb eines Gebietes die Ausübung der fachärztlichen Tätigkeit nicht beschränken. Die Ziehung der Grenzen fachärztlicher Tätigkeit im Verhältnis zu anderen Gebieten hat demnach, entgegen der Ansicht des OLG, nicht allein anhand der Gebietsdefinition, sondern durchaus auch unter Einbeziehung der fachbezogenen Weiterbildungsinhalte zu erfolgen.
Insofern das OLG in diesem Zusammenhang die Auffassung vertritt, das Absolvieren der Zusatz-Weiterbildung „MRT – fachgebunden“ sei für den Orthopäden auch dann „unnütz“, wenn die Durchführung von Leistungen der MRT nicht als gebietskonform angenommen werde, beruht diese Ansicht auf einer unrichtigen Auslegung des § 2 Abs. 4 S. 3 WBO BLÄK 2004, wonach eine Zusatz-Weiterbildung grundsätzlich nicht zu einer Erweiterung der Fachgebietsgrenze führt. Der Zweck der Zusatz-Weiterbildung besteht allerdings gerade darin, jedenfalls eine über die Weiterbildungsinhalte des Fachgebiets hinausgehende Ausführungskompetenz des jeweiligen Arztes für eine jeweilige Methode zu vermitteln. Der Zeitpunkt des Erwerbs dieser Ausführungskompetenz ist auch – entgegen der Ansicht des OLG – der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Gebietskonformität einer Leistung. Die durch das OLG fälschlich ausgelegte Norm bestimmt damit ausschließlich, dass die Weiterbildungsinhalte der Facharztbezeichnungen innerhalb eines Gebiets die Ausübung der fachärztlichen Tätigkeit nicht beschränken. Absolviert ein Facharzt eine solche Zusatz-Weiterbildung, treten die darin vermittelten Weiterbildungsinhalte für ihn zu den gebietskonformen Tätigkeiten hinzu. Er darf diese, wenn auch nur gebietsbezogenen Leistungen dann erbringen, ohne dass er gegen das Verbot gebietsfremder Tätigkeit verstößt.
Die Ansicht des OLG, wonach die fachliche Kompetenz in der Magnetresonanztomographie dann auch durch eine Qualifizierung außerhalb der Zusatz-Weiterbildung „MRT – fachgebunden“ erworben werden könnte, vermag schon deshalb nicht zu überzeugen, als dass im konkreten Fall die Bayrische Landesärztekammer als Satzungsgeber von der Möglichkeit, den Erwerb der fachlichen Qualifikation für MRT-Leistungen außerhalb einer förmlichen Weiterbildung zu regeln, keinen Gebrauch gemacht hat. Im Übrigen aber hätte der Senat diesbezüglich auch eingehend prüfen müssen, ob die seitens des Beklagten angeblich absolvierten Lehrgänge zum Erlernen der MRT den übergangsrechtlichen Anforderungen nach Weiterbildungsrecht entsprachen. Jedenfalls durfte das OLG nicht allein aufgrund des Vortrags des Beklagten ohne nähere inhaltliche Prüfung annehmen, dass dieser zur Durchführung von gebietsbezogenen MRT-Durchsuchungen im Zeitpunkt der Durchführung der streitgegenständlichen Leistungen hinreichend qualifiziert war, wenn gerade keine Zusatzweiterbildung „MRT – fachgebunden“ stattfand.
Nicht zuletzt bleibt unklar, warum generell für Privatpatienten im Hinblick auf die Qualifikation des Arztes und somit auch die Qualität der ärztlichen Behandlung geringere Maßstäbe angelegt werden sollten als bei gesetzlich versicherten Patienten. Sachliche Gründe für eine derartige Differenzierung gibt es nicht. Die Erwägungen des BVerfG in seinem Beschluss vom 16.07.2004 (Az. 1 BvR 1127/01) dürften auch für den Bereich der privaten Krankenversicherungen anzustellen sein.
Die Revision zur Entscheidung des OLG Nürnberg ist derzeit beim Bayrischen Obersten Landesgericht anhängig (vgl. BGH, Beschl. V. 18.02.2021, Az. III ZR 79/20). Ob sich dieses der neuerdings abzeichnenden Tendenz für den Bereich der privaten Krankenversicherungen anschließen – auch das LG Darmstadt entschied mit seinem Urteil vom 13.05.2020 (Az. 19 O 550/16), die Durchführung von MRT sei dem Fachgebiet der Orthopädie zuzurechnen –oder das Urteil doch aufheben wird, bleibt abzuwarten. Denn auch im Bereich der privaten Krankenversicherungen wurde von Gerichten in der Vergangenheit überwiegend die Auffassung vertreten, dass ein Facharzt für Orthopädie eine MRT-Befundung nur dann durchführen und abrechnen dürfe, wenn er über eine Zusatz-Weiterbildung MRT verfügt. Andernfalls sei diese Tätigkeit auch im Rahmen einer Privatbehandlung fachfremd, somit als nicht gebietszugehörig einzustufen und entspreche daher, jedenfalls sofern kein begründeter Ausnahmefall wie etwa eine Notfallbehandlung gegeben sei, nicht den Regeln der ärztlichen Kunst i.S.d. § 1 Abs. 2 GoÄ (OLG Celle, Urt. v. 22.10.2007, Az. 1 U 77/07; LG München, Urt. v. 17.02.2016, Az. 9 O 20894/14).)
RA Prof. Dr. Bernd Halbe
Fachanwalt für Medizinrecht
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