Auch die zukünftige Bundesregierung steckt sich bei ihren Anforderungen an das Ressort der Pflege und Gesundheit[1] ambitionierte Ziele: Aufbruch in eine moderne sektorenübergreifende Gesundheits- und Pflegepolitik, bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung, Verbesserung der Arbeitsbedingungen, Innovationen und Digitalisierung sowie eine stabile Finanzierung. Anders noch als im Sondierungspapier, wurden im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP dem Gesundheitswesen acht Seiten gewidmet.
Pflege
Die Koalition will zukünftig mit einem Bonus die Arbeitsleistung der Pflegekräfte[2] in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen honorieren. Dazu soll vom Bund eine Milliarde Euro zur Verfügung gestellt werden; ob zusätzlich oder in Summe bleibt offen. Der Steuerfreibetrag des Pflegebonus soll auf 3.000 Euro angehoben werden. Die genaue Höhe steht bislang aber noch nicht fest. Unterdessen sollen die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte schnell und spürbar verbessert werden. Weiterhin soll die durch Deutsche Krankenhausgesellschaft, Deutschen Pflegerat und der Gewerkschaft Verdi entwickelte Pflegepersonalregelung 2.0 kurzfristig mit dem Ziel eines bedarfsgerechten Qualifikationsmixes eingeführt werden.
Aus- und Weiterbildung in Gesundheit und Pflege
Mit der Reform der Krankenhausvergütung (s.u.) sollen Mittel für Weiterbildung in den Fallpauschalen künftig nur an die Kliniken anteilig ausgezahlt werden, die tatsächlich weiterbilden. Darüber hinaus soll das Konzept zur Fortentwicklung der Qualifizierung von Ärzten aktualisiert werden, um auch medikamentöse Schwangerschaftsabbrüche leichter verfügbar zu machen. Die Pflegeausbildung soll in Einrichtungen der Eingliederungshilfe und der Rehabilitation ermöglicht werden. Die Approbationsordnung soll zudem mehr auf Digitalisierung, Ambulantisierung, Spezialisierung, Individualisierung und berufsgruppenübergreifende Kooperation ausgerichtet werden.
Digitalisierung im Gesundheitswesen
Forciert werden soll vor allem auch der zügige Ausbau der Digitalisierung im gesamten Gesundheitswesen. Zentrale Regelungspunkte sind neben der Fortschreibung der Digitalisierungsstrategie, regelhafte telemedizinische Versorgungsleistungen (Videosprechstunde, Telemonitoring, telenotärztliche Versorgung). Neben der Beschleunigung der Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) und des E-Rezeptes soll auch die Anbindung aller Akteure an die Telematikinfrastruktur möglichst zeitnah erfolgen. Dafür soll die gematik zu einer digitalen Gesundheitsagentur umgebaut werden.
Ambulante und stationäre Gesundheitsversorgung
Die ambulante Bedarfs- und stationäre Krankenhausplanung soll gemeinsam zwischen Bund und Ländern zu einer sektorenübergreifenden Versorgungsplanung weiterentwickelt werden. Neu eingeführt werden soll eine Hybrid-DRG, welche eine sektorengleiche Vergütung ambulanter Leistungen ermöglichen soll. Damit soll die Ambulantisierung bislang unnötiger stationär erbrachter Leistungen gefördert werden. Zudem sollen multiprofessionelle, integrierte Notfallzentren ausgebaut und über die Hybrid-DRG finanziert werden (sektorengleichen Vergütung für die gleiche Leistung). Dies insbesondere um eine wohnortnahe, bedarfsgerechte, ambulante und kurzstationäre Versorgung sicherzustellen.
Gewisse Gesundheitsregionen sollen mit „bevölkerungsbezogenen Versorgungsverträgen“ als innovative Versorgungsform gestärkt werden. In besonders benachteiligten Kommunen und Stadtteilen sollen niedrigschwellige Beratungsangebote (z.B. Gesundheitskioske) für Behandlung und Prävention errichtet werden. Im ländlichen Raum soll auf Gemeindeschwestern und Gesundheitslotsen zurückgegriffen werden können.
Die Budgetierung der ärztlichen Honorare im hausärztlichen Bereich soll aufgehoben werden. Zudem soll die Gründung von kommunal getragenen Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) und deren Zweigpraxen erleichtert werden und bürokratische Hürden abgebaut werden. Inwiefern der Passus „Entscheidungen des Zulassungsausschusses müssen künftig durch die zuständige Landesbehörde bestätigt werden“ zu einem solchen Bürokratieabbau beitragen soll, wird hingegen nicht erläutert.
Zudem möchten die Koalitionäre die paritätische Beteiligung von Frauen in den Führungsgremien der Kassenärztlichen Vereinigungen /Kassenzahnärztlichen Vereinigungen sowie ihrer Spitzenverbände auf Bundesebene sowie der gesetzlichen Krankenkassen stärken.
Krankenhausplanung und -finanzierung
Reformiert werden soll mit einem Bund-Länder-Pakt. Dafür soll eine kurzfristig eingesetzte Regierungskommission Empfehlungen vorlegen und „Leitplanken“ für eine auf Leistungsgruppen und Versorgungsstufen basierende und sich an Kriterien wie der Erreichbarkeit und der demographischen Entwicklung orientierten Krankenhausplanung erarbeiten. Insbesondere sollen Empfehlungen für eine Weiterentwicklung der Krankenhausfinanzierung erarbeitet werden, die das bestehende DRG-System um ein nach Versorgungsstufen differenziertes System erlösunabhängiger Vorhaltepauschalen ergänzt. Unter den Versorgungsstufen versteht sich die Primär-, Grund-, Regel-, Maximalversorgung und Uniklinika. Darüber hinaus soll kurzfristig eine bedarfsgerechte und auskömmliche Finanzierung der Pädiatrie, Notfallversorgung und Geburtshilfe sichergestellt werden.
[1] Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit – Koalitionsvertrag 2021 – 2025 zwischen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN und den Freien Demokraten (FDP), abgerufen unter: https://www.fdp.de/sites/default/files/2021-11/Koalitionsvertrag%202021-2025_0.pdf (Stand 29.11.2021)
[2] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.
Jonas Bördner, LL.M.
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