Mit einer neuen Argumentationslinie hat die beklagte LKH im Rahmen einer Einzelfallentscheidung vor dem LG Frankfurt a.M. gegenüber einer klagenden Abrechnungsgesellschaft obsiegt, die aus abgetretenem Recht des behandelnden Strahlentherapeuten auf Restvergütung aus ambulanter IMRT-Behandlung analog nach der Ziffer 5855 GOÄ geklagt hatte. Das LG Frankfurt a.M. lehnte ohne die vorherige Einholung eines Sachverständigengutachtens mit Urteil vom 05.02.2019 (Az.: 2-31 O 359/17) eine Anwendung des § 6 Abs. GOÄ mit der fragwürdigen Begründung ab, dass es sich bei der IMRT um keine selbständige ärztliche Leistung handele. Im streitigen Fall verweigerte die beklagte LKH die vollständige Begleichung der Rechnung unter dem Gesichtspunkt der fehlenden medizinischen Indikation. Das Gericht schloss sich der Ansicht der Beklagten insoweit an und argumentierte, dass es wegen einer fehlenden eigenständigen medizinischen Indikation für die IMRT an einer selbstständigen ärztlichen Leistung im Sinne des § 6 Abs. 2 GOÄ mangele. Insoweit komme es auf die Gleichwertigkeit der intensitätsmodulierten Bestrahlung und der intraoperativen Strahlenbehandlung mit Elektronen im Ergebnis nicht an.
Das LG Frankfurt a.M. führt hierzu aus:
„Nach der Vorschrift des § 6 Abs. 2 GOÄ kann eine in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommene Leistung nur dann entsprechend seiner Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses berechnet werden, wenn es sich um eine selbstständige ärztliche Leistung handelt. Eine solche liegt insbesondere dann nicht vor, wenn sich die Leistung nur als besondere Ausführung einer anderen Leistung darstellt. Es kann daher keine Analogbewertung für Leistungen geben, die sich lediglich durch besonderen Zeitaufwand, einen besonderen Schwierigkeitsgrad oder besondere Umstände bei der Leistungsausführung von Leistungen unterscheiden, die bereits im Gebührenverzeichnis enthalten sind“.
Das Gericht bezieht sich in seiner Argumentation auf eine Ansicht in der Literatur, wonach der Bundesgerichtshof die Selbstständigkeit der ärztlichen Leistung danach beurteile, ob für eine eigenständige medizinische Indikation besteht. Es ist zwar richtig, dass der BGH eine entsprechende Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 13.05.2004, Az. III ZR 344/03) zum sog. Zielleistungsprinzip entwickelt hat, dies betrifft aber im Wesentlichen die operierenden Fächer und ist auf die im Bereich der Strahlentherapie durchgeführte IMRT nicht übertragbar. Im Zusammenhang mit strahlentherapeutischen Leistungen ist immer die sog. Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) zu beachten, wo es insbesondere unter Punkt 7. der Anlage A ausdrücklich heißt:
„Der Patient muss die Behandlung erhalten, die bei seiner Krankheit die besten Erfolgsaussichten (kurativ oder palliativ) mit den geringstmöglichen Nebenwirkungen bietet.“
Vor diesem Hintergrund ist es der Strahlentherapie immanent und hat dort höchste Priorität, neue Behandlungstechniken zu finden, die ein erheblich geringeres Risiko von irreversiblen Strahlenschäden aufweisen. Wäre die vorgenannte BGH-Rechtsprechung ohne weiteres auf strahlentherapeutische Sachverhalte oder Sachverhalte von anderen medizinisch-technisch ausgerichteten Fächern wie der Radiologie übertragbar, wäre es in diesen Fachgebieten nie zu der Entwicklung neuer selbständiger ärztlicher Leistungen gekommen und die dortigen Leistungen müssten immer noch ausschließlich auf dem Stand der GOÄ von 1996 bewertet und vergütet werden. Gerade für das medizinisch-technisch ausgerichtete Fachgebiet der Strahlentherapie sind Analogbewertungen im Rahmen der GOÄ nach § 6 Abs. 2 GOÄ jedoch aufgrund der rasanten technischen Weiterentwicklungen in diesem Fachgebiet unabdingbar. Dies insbesondere dann, wenn wie hier besondere Umstände der Leistungserbringung in der Form vorliegen, dass sich als Folge des Einsatzes der IMRT die Durchführung der Leistung selbst erheblich von der bisherigen, in der GOÄ aus dem Jahr 1996 beschriebenen und bewerteten Leistung unterscheidet.
Nicht zuletzt sind auch die Bundesärztekammer und die LKH selbst in der Vergangenheit von der Notwendigkeit der Bildung einer Analogbewertung für die IMRT ausgegangen.
Alles in allem kann diese neueste Argumentation eines Gerichts im Zusammenhang mit der Abrechnung der IMRT nach GOÄ nicht überzeugen und sollte auch in den anhängigen außergerichtlichen oder gerichtlichen Verfahren nicht akzeptiert werden.