Aus der aktuellen Rechtsprechung zur Abrechnung der IMRT nach GOÄ sind aufgrund der geringen Anzahl bereits zweitinstanzlich entschiedener Verfahren hervorzuheben die Entscheidungen des Oberlandesgericht Braunschweig (im Folgenden OLG Braunschweig), Beschluss vom 05.04.2018 (Az.: 11 U 37/17) und des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht (im Folgenden: OLG Schleswig-Holstein), Urteil vom 28.06.2018 (Az.: 16 U 135/17), die zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen. Während das OLG Schleswig-Holstein eine analoge Anwendung der Ziffer 5855 GOÄ in Bezug auf IMRT-Leistungen ablehnt und eine alternative Abrechnung entwickelt, spricht sich das OLG Braunschweig in seiner Entscheidung vom 05.04.2018 (Az.: 11 U 37/17) wie viele erstinstanzliche Landgerichte für eine Analogbewertung der IMRT nach der Analogziffer 5855 GOÄ aus.
Das OLG Braunschweig bejahte – anders als das OLG Schleswig-Holstein – für die IMRT-Leistung eine Gleichwertigkeit nach Art, Kostenaufwand und Zeitaufwand im Sinne des § 6 Abs. 2 GOÄ mit der Leistung „intraoperative Strahlenbehandlung mit Elektronen“ (im Folgenden: IORT), die originär hinter der Ziffer 5855 GOÄ steht. Der entscheidende Senat stellte insoweit klar, dass eine gleichwertige Leistung dann vorliegt, „wenn der Summe der Tatbestandsmerkmale der einen Leistung der gleiche Wert beigemessen werden kann, wie der anderen Leistung“. Er stützte sich insoweit maßgeblich auf die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen, der zwar Unterschiede zwischen der IMRT-Bestrahlung und der IORT bei Applikationsform, Indikationsstellung und Ablauf feststellte, aber entscheidend auf die Gleichwertigkeit der beiden Bestrahlungsmethoden hinsichtlich Art, Kosten und Zeitaufwand abstellte. Beide Behandlungsformen würden dem Erreichen der optimalen Erfassung des Zielvolumens und der bestmöglichen Schonung der angrenzenden Risikoorgane dienen und einen hohen personellen und zeitlichen Aufwand erfordern. Während der Bestrahlungsvorgang bei der IORT 30 Minuten dauern würde, wovon 5 Minuten auf die eigentliche Bestrahlung entfallen würden, würde bei der IMRT-Bestrahlung der eigentliche Bestrahlungsvorgang 5-15 Minuten dauern, wobei die Dauer des Vorgangs insgesamt nach einer Studie auf 39,7 Minuten ermittelt worden sei.
Der erkennende Senat sieht die „Analogleistung“ und die „Vergleichsleistung“ auch auf der Grundlage des eingeholten gerichtlichen Sachverständigengutachtens durch einen vergleichbar hohen finanziellen Aufwand an Geräte- und Materialkosten unter Einbeziehung der Anschaffungskosten für spezielle Geräte wie Hard- und Software gekennzeichnet. Das Gericht weist ausdrücklich darauf hin, dass sich ein Ausschluss der Berücksichtigung der Anschaffungskosten bei der Bewertung der Gleichwertigkeit der Leistungen dem Wortlaut des § 6 Abs. 2 GOÄ nicht entnehmen lassen. Der erkennende Senat hält es im Übrigen auch für gerechtfertigt, dass bei jeder Fraktion einer IMRT-Bestrahlung derselbe Mehraufwand entsteht. Soweit die LKH in dem Gerichtsverfahren versuchte, die Abrechnungsempfehlung der Bundesärztekammer für die stereotaktische Bestrahlung analog auf die IMRT anzuwenden, stellte der erkennende Senat wie folgt fest: “Bei der stereotaktischen Behandlung handelt es sich jedoch ebenfalls um eine nicht in das Gebührenverzeichnis aufgenommene Leistung. § 6 Abs. 2 GOÄ sieht aber nicht den Vergleich mit einer nicht in das Leistungsverzeichnis aufgenommenen Leistung, sondern mit einer dort enthaltenen Leistung vor.“ Im Ergebnis folgte auch zweitinstanzlich das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (im Folgenden OLG Frankfurt a.M.) mit Beschluss vom 10.12.2018 (Az. 12 U 20/18) der Entscheidung des OLG Braunschweig vom 05.04.2018.