Aufgrund der Entwicklung des Infektionsgeschehens haben die Bundesärztekammer, der Verband der Privaten Krankenversicherung und die Beihilfekostenträger ihre gemeinsame Analogabrechnungsempfehlung für die Erfüllung aufwändiger Hygienemaßnahmen im Rahmen der COVID-19-Pandemie über den 31.12.2020 hinaus verlängert. Die neue Abrechnungsempfehlung gilt ab dem 01.01.2021 bis einschließlich zum 30.06.2021. Hinsichtlich einer weiteren Verlängerung ist derzeit nichts bekannt.
Für jeden Privatpatienten, der ambulant in der Praxis behandelt wird, kann ein pauschaler Rechnungsaufschlag über die Ziffer 245 GOÄ analog für den erhöhten Hygieneaufwand einmal pro Sitzung abgerechnet werden, jedoch nur dann, wenn ein unmittelbarer Arzt-Patienten-Kontakt bestand. In der Zeit vom 09.04.2020 bis einschließlich 30.09.2020 konnte die Hygienepauschale mit dem max. 2,3-fachen Faktor abgerechnet werden. Seit dem 01.10.2020 bis zum 30.06.2021 kann die Ziffer 245 GOÄ analog zwar weiterhin abgerechnet werden, allerdings nur noch mit dem 1,0-fachen Satz in Höhe von 6,41 Euro. Die Auslagen sowie die verwendeten Materialien sind bereits in der Pauschale inkludiert.
Bei Berechnung der Gebühr nach Ziffer 245 GOÄ analog kommt eine Faktorsteigerung über den Schwellensatz mit der Begründung des erhöhten Hygieneaufwandes nicht in Frage, wenn zugleich die Hygienepauschale abgerechnet wird. Der Faktor einer Leistung kann allerdings dann gesteigert werden, wenn die Leistungserbringung bei einer Ziffer durch andere Umstände erschwert war, die nicht auf dem erhöhten Hygieneaufwand beruhen.
Alternativ kann der erhöhte Hygieneaufwand über die Faktorsteigerung der einzelnen Leistungen nach den in § 5 GOÄ genannten Kriterien abgebildet werden. Dies gilt jedenfalls für diejenigen Privatversicherten, bei deren Versicherungstarifen eine Überschreitung der Schwellensätze grundsätzlich möglich ist.
Eine Pauschalbegründung wird seitens der Bundesärztekammer in ihrer „Erläuterung zu den Abrechnungsempfehlungen zur Berechnung von ärztlichen Leistungen im Rahmen der COVID-19-Pandemie“ nicht anerkannt. Eine gleichzeitige Steigerung der in derselben Sitzung erbrachten Leistungen über den Schwellenwert mit einer pauschalen Begründung – wie etwa erhöhter Hygieneaufwand aufgrund der COVID-19-Pandemie – sei daher nicht zulässig.
Alternativ kann auch die Abrechnung der verwendeten Materialien anstelle der Hygienepauschale angesetzt werden. Es wurde zwar nicht eindeutig geregelt, wann zusätzliche Materialkosten wegen des erhöhten Hygieneaufwandes in Rechnung gestellt werden können. Es ist aber wahrscheinlich, dass eine zusätzliche Auslagenerstattung neben der Hygienepauschale von den Kostenträgern nicht akzeptiert werden wird.
Daher kann die Abrechnung der Hygienepauschale zweckmäßigerweise ausbleiben, wenn im Einzelfall deutlich höhere Auslagen im Materialbereich anfallen. Welche Infektionsschutzmaterialien in Rechnung gestellt werden können, richtet sich nach den grundlegenden Kriterien aus § 10 GOÄ. Das zu berechnende Material muss medizinisch notwendig und mit der einmaligen Anwendung verbraucht sein oder beim Patienten verbleiben. Es darf sich nicht um sog. Kleinmaterialien oder ausdrücklich in § 10 Abs. 2 unter Nr. 2-5 GOÄ genannten Materialien handeln. Diese dürfen dem Patienten nicht in Rechnung gestellt werden.
Praxistipp:
Der erhöhte Hygieneaufwand oder ein erhöhter Materialaufwand allein sind kein geeignetes Kriterium für eine Faktorsteigerung. Aus der leistungs- und patientenbezogenen Begründung muss hervorgehen, dass besondere, über die Norm hinaus gehende Maßnahmen getroffen sind, die bspw. mit einem erhöhten Zeitaufwand oder besonderen Umständen bei der Ausführung verbunden sein können. Hierbei ist auf eine individuelle Begründung und die entsprechende Dokumentation verstärkt Wert zu legen.
RA Prof. Dr. Bernd Halbe
Fachanwalt für Medizinrecht