Das Verwaltungsgericht (VG) Stuttgart (Az.: 4 K 6874/19) entschied im Januar 2021 über den Anspruch einer Apothekerin auf die Gewährung von Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit. Die Klägerin war zum Zeitpunkt der Entscheidung Mitglied der Bayerischen Apothekerversorgung. Sie hatte unter Vorlage mehrerer ärztlicher Gutachten bei der Bayerischen Apothekerversorgung Ruhegeld wegen dauernder Berufsunfähigkeit beantragt. Die Gutachten kamen zum Schluss, dass die Klägerin an einer Zwangsstörung schwergradigen Ausmaßes leide und daher kaum in der Lage sei, aus Angst vor möglichen Kontaminationen das Haus zu verlassen. Des Weiteren bestehe in Verbindung mit der durch die Gutachten belegte Zwangsstörung die Angst für die Antragstellerin vor dem hohen Verantwortungsbereich von Apothekern. Die Bayerische Apothekerversorgung hingegen stützte sich auf ein weiteres Gutachten, welches keine Berufsunfähigkeit auf Dauer hatte feststellen können. Die Klägerin erhob Klage gegen den negativen Bescheid. Das Gericht schloss sich der Ansicht der beklagten Apothekerversorgung an und wies die Klage ab.
Entsprechend der einschlägigen Satzung der Bayerischen Apothekerversorgung verlange ein Versorgungsfall das Vorliegen einer vollständigen und umfassenden Berufsunfähigkeit. Die Beweislast für das Vorliegen der Berufsunfähigkeit weist die Satzung ausdrücklich dem Mitglied zu. Das VG kam zum Ergebnis, die Klägerin habe den Nachweis nicht ausreichend erbracht.
Voraussetzung einer Berufsunfähigkeit sei, dass das Mitglied eine die Existenz sichernde Berufstätigkeit nicht mehr ausüben könne. Ob dies der Fall sei, müsse unter Berücksichtigung aller Tätigkeitsbereiche, die ein Apotheker ausüben könne, geprüft werden. Hiervon müssten aber die sogenannten „Nischen- oder Schonarbeitsplätze“ ausgenommen werden, die nur in speziellen Einzelfällen auf die Bedürfnisse eines bestimmten Mitarbeiters zugeschnitten worden seien.
Das Gericht war der Ansicht, die Klägerin habe anhand der vorgelegten medizinischen Sachverständigengutachten nur dargelegt, dass sie der Arbeit in einer „konventionellen Apotheke“ nicht mehr nachgehen könne. Die Gutachten hingegen würden keine Aussagen über die Einsatzmöglichkeiten in anderen Bereichen des vielfältigen Apothekerberufs treffen. Auch aus der bei der Klägerin seit einigen Jahren bestehenden Arbeitsunfähigkeit könne nicht zwingend auf die Berufsunfähigkeit geschlossen werden, da sich diese auf die konkret ausgeübte Tätigkeit beziehe, die Berufsunfähigkeit hingegen auf den gesamten Tätigkeitsbereich abstelle. Außerdem würden sich aus den unterschiedlichen Gutachten noch zumutbare Behandlungsmöglichkeiten ergeben.
Das VG schloss sich der Begründung der Bayerischen Apothekerversorgung an, wonach bei der Klägerin weiterhin eine Tätigkeit als Apothekerin in Frage gekommen wäre. So kämen Tätigkeitsbereiche außerhalb von möglichen Kontaminationen ohne das Bestehen eines möglicherweise die Erkrankung verschlechternden psychischen Drucks in Betracht, etwa bei Schreibtischtätigkeiten oder einer schriftlichen Beratung. Weiterhin sei an den Einsatz in Online-Apotheken zu denken, die ohne den unmittelbaren Kontakt mit Kunden auskämen.
RA Helge Rust
Fachanwalt für Medizinrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht
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