Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat in einer aktuellen Entscheidung klargestellt, dass Physiotherapeuten, die in einer Praxis als „freie Mitarbeiter“ arbeiten, abhängig beschäftigt sind, wenn sie in die Praxisorganisation eingegliedert sind und selbst kein Unternehmerrisiko tragen (Urt. v. 16.7.2021, L 4 BA 75/20).
Geklagt hatte ein Physiotherapeut, der sowohl eine eigene Praxis führte als auch daneben noch in einer weiteren Praxis als „freier Mitarbeiter“ beschäftigt war; weiterer Kläger war der Inhaber der Praxis, in welcher der „freie Mitarbeiter“ tätig geworden war. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) hatte auf Antrag des klagenden Physiotherapeuten im November 2017 festgestellt, dass dieser abhängig beschäftigt und somit sozialversicherungspflichtig sei. Hiergegen wehrten sich sowohl der Physiotherapeut als auch der Inhaber der Praxis. Das Sozialgericht Mannheim gab den Klägern mit Urteil vom 28.11.2019 (13 BA 1174/18) recht.
Das LSG Baden-Württemberg hob nun das Urteil des SG Mannheim auf. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass zur Beurteilung einer Beschäftigung die konkrete Ausgestaltung und die Eingliederung in die Organisationsstruktur und Arbeitsabläufe der Gemeinschaftspraxis maßgeblich seien. Grundsätzlich sei es zwar auch möglich, die Leistungen im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit zu erbringen, ein solcher Fall habe hier jedoch nicht vorgelegen. Allein der Umstand, dass der klagende Physiotherapeut seine Arbeitszeiten selbst habe festlegen können, begründe noch keine selbstständige Leistungserbringung.
Als weitere Hinweise auf eine abhängige Beschäftigung sah der Senat an, dass der Kläger die vorhandene Ausstattung der Praxis genutzt und auch im Wesentlichen nur Patienten behandelt hatte, die ihm durch die Inhaber der Gemeinschaftspraxis „vermittelt“ wurden. Weiterhin führte der Senat aus, dass der Kläger auch nicht namentlich gesondert im öffentlichen Auftritt der Praxis aufgeführt wurde. Dies betreffe zum einen das Praxisschild und zum anderen den Internetauftritt der Praxis. Weiterhin seien auch die Abrechnung der erbrachten Leistungen über das Abrechnungssystem der Gemeinschaftspraxis erfolgt (bei einem Einbehalt von 30% durch die Praxisinhaber). Ein unternehmerisches Risiko habe der klagende Physiotherapeut zu keinem Zeitpunkt tragen müssen. Zuletzt betonte der Senat, dass die Unterhaltskosten für ein Kraftfahrzeug auch nicht ausreichend seien, um ein unternehmerisches Risiko zu begründen.
Insgesamt sah das LSG Baden-Württemberg keine Situation, in welcher der Physiotherapeut seine Beschäftigungssituation ausreichend von jener anderer abhängig Beschäftigter abgrenzen hätte können.
RA Jan Ippach, LL.M.