In einem Rechtsstreit, der vor dem Sozialgericht Stuttgart geführt wurde, ging es um eine „Neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls mit mehr als 72 Stunden“ (Nr. 8-981.1 OPS 2012). Das Sozialgericht Stuttgart hat dem Verlangen der Krankenkasse eine Absage erteilt, wonach das klagende Krankenhaus zur Rechtfertigung einer Abrechnung das Vorliegen der strukturellen Mindestmerkmale der abgerechneten Prozedur nachweisen sollte (Az. S 19 KR 7070/16).
Die beklagte Krankenkasse hatte bezweifelt, dass die abgerechnete neurologische Komplexbehandlung seitens des klagenden Krankenhauses korrekt und vollständig durchgeführt worden war, und lehnte die Bezahlung der Rechnung ab. Im Rahmen des Gerichtsverfahrens, das daraufhin seitens der Krankenhausträgerin angestrengt worden war, war dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen die gesamte Patientenakte zum Zweck der Überprüfung übersandt worden. Der Medizinische Dienst stellte fest, dass die Dokumentation zum abgerechneten OPS Kode 8-981.1(2012) vollständig war. Die Krankenkasse verlangte daraufhin von der Klägerin, das Vorliegen der strukturellen Mindestmerkmale dieser Prozedur nachzuweisen. Dazu gehören u. a. folgende Anforderungen:
Die 24-stündige ärztliche Anwesenheit, die 24-stündige Verfügbarkeit der zerebralen Angiographie oder einer gleichwertigen Untersuchungsmethode, die kontinuierliche Möglichkeit zur Fibrinolysetherapie des Schlaganfalls und der unmittelbare Zugang sowohl zu neurochirurgischen Notfalleingriffen als auch zu gefäßchirurgischen und interventionell-neuroradiologischen Behandlungs-maßnahmen.
Der Medizinische Dienst hatte seine Prüfung nicht auf das Vorliegen dieser Strukturmerkmale erstreckt und der Krankenkasse lagen keine Hinweise vor, dass eines oder mehrere der geforderten Strukturmerkmale nicht oder nicht in ausreichendem Umfang vorhanden gewesen wäre. Das Krankenhaus verweigerte den geforderten Nachweis.
Das Sozialgericht Stuttgart bemängelte die Pauschalität und mangelnde Konkretisierung des Verlangens der beklagten Krankenkasse. Es vermisste insbesondere Angaben dazu, hinsichtlich welcher Strukturmerkmale und hinsichtlich welcher Zeiträume irgendwelche konkreten Zweifel bestanden hätten. Weder die Beklagte noch der Medizinische Dienst hätten hierzu Anhaltspunkte vorgetragen. Das Verlangen der Krankenkasse wäre nur dann gerechtfertigt, wenn das Krankenhaus generell verpflichtet sei, für die Abrechnung eines Behandlungsfalles die Strukturmerkmale nicht nur darzulegen, sondern auch nachzuweisen. Eine derartige Verpflichtung bestehe jedoch nicht. Insbesondere wies das Sozialgericht darauf hin, dass derartige Anforderungen eine Überforderung der Krankenhäuser mit sich brächten, die einen derart hohen Verwaltungsaufwand nicht leisten könnten. Das Gericht wies außerdem auf datenschutzrechtliche Bedenken hin. Denn nach seiner Auffassung handelt es sich bei den geforderten Nachweisen nicht um Sozialdaten im Sinne der Regelung des § 276 Abs. 2 SGB V.
Das Sozialgericht Stuttgart hat dementsprechend durch Urteil vom 31.10.2018 (Az.: S 19 KR 7070/16) der Klage stattgegeben. Die Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Die Berufung ist beim Landessozialgericht Baden-Württemberg anhängig (Az.: L 4 KR 4398/18).
Es bleibt zu hoffen, dass auch das Berufungsgericht an dieser Stelle die berechtigten Belange des beklagten Krankenhauses und damit letztlich aller Krankenhäuser bei seiner Entscheidung berücksichtigt.
RA Maurice Berbuir
Fachanwalt für Medizinrecht